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wählten die noch übrigen Gothen Tejas zum König. Dieser be¬
wies eine große militärische Geschicklichkeit und behauptete zwei Mo¬
nate lang eine feste Stellung am Fuße des Vesuv. Als es Narses
gelang, den Anführer der gothischen Flotte zu bestechen, blieb Te¬
jas aus Mangel an Lebensmitteln keine Wahl, als Ergebung oder
ein Kampf der Verzweiflung. Er wählte den Kampf, und die Go¬
then fochten mit ausgezeichneter Tapferkeit. Tejas selbst fiel am
Ende des ersten Tages; die Gothen setzten aber den Kampf auch
am folgenden Tage fort, entschlossen bis auf den letzten Mann zu
kämpfen. Am dritten Tage ließ ihnen Narses leidliche Bedingun¬
gen anbieten; sie sollten sich in die Gegenden, wo sie Güter hät¬
ten, zerstreuen, und es sollten ihnen ihre in den Städten niedergeleg¬
ten Schätze bleiben. Tausend Gothen nahmen diesen Vertrag nicht
an, sondern bahnten sich mit dem Schwerte den Weg nach Ober¬
italien. Dort vereinigten sie sich mit fränkischen und alemannischen
Schaaren, welche 70,000 Mann stark über die Alpen gezogen wa¬
ren. Verheerend drangen diese Schaaren nach dem mittleren und
unteren Italien. Narses suchte die festen Städte zu behaupten und
gab das flache Land und die offenen Orte preis. Diese wilden
Horden raubten und verbrannten was in Italien noch zu rauben
und zu zerstören war, bis Mangel und Krankheiten sie aufrieben
und Narses sie 554 in einer Schlacht in der Gegend von Kapua
gänzlich vernichtete. Nach ihrem Untergange unterwarf Narses auch
noch die Reste der Gothen, die sich hier und da noch behaupteten.
Viele Gothen wurden nach Constantinopel gebracht, um in den
griechischen Heeren zu dienen.
Die alten weltlichen Studien und Lehranstalten für Rhetorik,
Philosophie und Rechtswissenschaft, welche noch unter Theodorich
in großer Blüthe gestanden hatten, gingen mit dem ostgothischen
Reiche unter, weil die Lehrer derselben beim Publikum keine Auf¬
munterung mehr fanden, und die weltliche Macht die Anstalten fallen
ließ. Die Schriften von zwei Männern zeigen, wie in der ostgothischen
Zeit der Uebergang gemacht worden ist von der alten Bildung zu der
Bildung und Literatur des Mittelalters, deren eigenthümlicher Cha¬
rakter hauptsächlich durch Augustin's Wirksamkeit hervorgerufen und
bestimmt worden ist. Die Schriften dieser Männer beweisen auch,
daß der Ursprung der Schulen, der Bildung und des Unterrichts der
zum Christenthum bekehrten germanischen Völker von Rom herzu¬
leiten ist. Diese beiden Männer sind Cassiodorus, der Minister
der gothischen Könige, und Boethius, ein sehr angesehener römi¬
scher Senator. Cassiodor hat im Abendlande die erste eigentliche
theologische Schule gegründet, in welcher die Reste der alten Bil¬
dung mit den theologischen Zwecken der neuen Zeit verbunden wur¬
den. Diese Anstalt wurde das Muster der geistlichen Schulen des
Mittelalters, ja die ganze Schuleinrichtung wurde nach Cassiodor's
Unterrichtsplane gemacht, und die gelehrte Bildung des Abendlan¬
des ward auf die Lehrbücher gegründet, welche er und Boethius
verfaßt haben. Diese beiden Männer sind also die Begründer des
Schulwesens und des Lehrsystems des Mittelalters und haben des¬
halb eine sehr große Bedeutung.
Die Literatur
in Italien zur
Zeit des ost-
gorhischen
Reichs.