Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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Elbe nur aus dem deutschen Mittelgebirgssystem oder aus dem Berg¬ 
kessel des Böhmer-Landes hervorkommt. Beide Ströme durchschnei¬ 
den den großen Gebirgshalbkreis, der sich ihnen dammartig in dem 
mittleren Deutschland entgegensetzt. Der Rhein ist auch der eigentlich 
germanische Strom zu nennen, weil er von seiner Quelle bis zu 
seiner Mündung fast in allen Zeiten nur deutsche Landschaften durch¬ 
strömte, dagegen gehört die Donau nur in ihrem oberen Laufe dem 
deutschen Boden an und tst in ihrem unteren Laufe immer das 
Heimathsland barbarischer Völker gewesen. Seit den Zeiten des 
römischdeutschen Kaiserthums bildete der Rhein die Hauptpulsader 
des klassischen Bodens von Deutschland. An ihm fand die großar¬ 
tigste Entwickelung des deutschen Lebens statt, an ihm lagen die 
größten und herrlichsten deutschen Städte, welche in geistiger und 
weltlicher Beziehung die Metropolen des deutschen Landes und Vol¬ 
kes zu nennen sind. 
Die älteste Kunde von Germanien erhalten wir durch die Rö- 
mer. Sie nannten Germanien das Land, welches von den Alpen, Deutschlands, 
dem Rhein, der Nord- und Ostsee und im Osten etwa von der 
Weichsel oder den Karpathen begrenzt wird. Das Land erschien 
ihnen unheimlich und schreckenerregeud. Ueberall war undurchdring¬ 
licher Wald, von Stämmen mit nie gesehener Höhe bestanden, ein 
Urwald mit all seiner Fülle und Kraft, aber auch mit seinem Schauer 
und Schrecken, viele Tagereisen weit durch keine gerodete Stelle, 
durch keine menschliche Wohnung unterbrochen, ohne Weg und Steg, 
über Berg und Thal sich erstreckend; dazwischen rauschten gewaltige 
Ströme, noch ungebändigt dahinfluthend, ohne Brücken und leer 
von Schiffen, oft aufgehalten in ihrem Lauf durch Moräste und 
Sümpfe. Die von dichten Nebeln oder schweren Wolken erfüllte 
Luft gestattete nur selten den Anblick des klaren blauen Himmels. 
Nur in manchen Küstengegenden und in breiten Stromthälern war 
das Land besser angebaut und es mögen da dorfähnliche Ortschaften 
vorgekommen sein; das übrige Land glich einer zusammenhängenden 
Wilbniß, in welcher sich nur hier und da angebaute Strecken be¬ 
fanden. Neben dem Ertrag des Ackerbaus boten Jagd, Fischerei 
und Viehzucht den Lebensunterhalt. Die Natur brachte in den 
Wäldern eine Menge großes und kleines Wild, Bienen, Raubvö¬ 
gel und wilde Thiere, in dem Wasser eine Menge Fische, auf den 
freien Flächen etwas wildes Obst, Spargel, Pastinak-Wurzeln, 
Beere und Rettige hervor. Der Ackerbau erzeugte Gerste und Ha¬ 
fer, seltener Roggen und Waizeu. Weinbau wurde in Rhätien, 
dann später, durch die Römer eingeführt, an der Donau und an 
dem Rhein getrieben. Zu den Hausthieren gehörte das kleine, aber 
ausdauernde Pferd, das unansehnliche, ungehörnte Rindvieh. Salz, 
das unentbehrlichste aller Gewürze, gab abgelaufenes Seewasser oder 
über heiße Kohlen geschüttete Soole vieler Salzquellen, welche als 
heilige Quellen betrachtet und oft Gegenstände blutigen Streites 
wurden. Eisen fand man im Süden, in Noricum, besonders in 
Steiermark. Nach Gold und Silber haben'in Deutschland wohl die 
Römer früher als die Deutschen gefragt.
	        
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