Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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werbfleiß blühten auf, und es stieg die Wohlhabenheit, die Macht und 
das Selbstgefühl der Völker. 
Auch durch die Erfindung der Buchdruckerkunst und die Ein¬ 
richtung derPosten wurde die Verbindung unter den verschiedenen euro¬ 
päischen Völkern sehr vermehrt, der Austausch der Ideen erleichtert, Handel 
und Verkehr befördert. Es entstand allmälig ein so enges Verhältniß zwischen 
den wichtigsten und. endlich zwischen allen Staaten Europa's, daß sie wie 
ein großes Gemeinwesen, wie ein System von Staaten konnten be¬ 
trachtet werden. Die verschiedenen Völker Europa's bildeten sich all¬ 
mälig zu einer großen Familie, zu einem Staatenverein, welcher zwar 
aus einer Menge, an Macht und Einfluß verschiedenartiger, unabhängi¬ 
ger Theile bestand, aber durch mancherlei Bande der Kultur, durch die 
Gemeinsamkeit der christlichen Religion, durch Handel und Verkehr und 
durch Aehnlichkeit in Sitten und Gebrauchen unter einander verknüpft 
wurde. Es entstand in Europa ein Staatensystem, welches eine Art 
von öffentlichem Rechtszustand zwischen seinen Gliedern erzeugte. 
Dieses aus das Gleichgewicht der Staaten gegründete 
System hatte sich zuerst in Italien gebildet. In den italienischen 
Handelsstädten hatten Gewerbe, Kunst und Wiffenschast einen bedeutenden 
Aufschwung genommen, und Wohlhabenheit und Reichthum hatten sich 
verbreitet. Der Handel vermehrte auch die politischen Berührungspunkte, 
und Handelßinteresse und Handelseisersucht erregten nicht selten heftige 
Kämpfe unter den italienischen Staaten. Es hatten sich in Italien eine 
Menge unabhängiger Staaten gebildet, die an Macht und an Umfang 
zwar verschieden waren, von denen aber keiner so mächtig war, daß er 
der vereinigten Macht der übrigen Trotz bieten und die Herrschaft über 
dieselben dauernd behaupten konnte; aus der anderen Seite war aber 
auch keiner so schwach, daß er von keinem Gewicht in den politischen 
Verhältnissen gewesen wäre. Mit dem Emporkommen des Bürgerstandes 
hatte sich die Verfassung der meisten Städte in Demokratie umgewandelt, 
und neben dem Handel trug auch diese Form der Versaffung zur Ver¬ 
breitung eines allgemeinen politischen Interesses unter den italienischen 
Städten bei. Der Kamps zwischen der Aristokratie und der Demokratie 
dauerte nämlich in den meisten Städten eine geraume Zeit mit großer 
Heftigkeit fort, und wenn sich auch gewöhnlich der Sieg für die Demo¬ 
kratie entschied, so hörten doch damit die inneren Unruhen und Strei¬ 
tigkeiten nicht aus; alle Vorzüge und alle Mängel der demokratischen 
Vecsaffungssorm zeigten sich unter dem lebhaften Volke in einem hohen 
Grade. Es entstanden häufig Parteiungen in den einzelnen Staaten, 
nicht selten Auswanderungen Mißvergnügter zu den Nachbarn und Ein¬ 
mischungen derselben in die inneren Händel und daraus Zwiste und 
Kriege, Verbindungen und Bündnisse, damit nicht ein einzelner Staat 
eine allen verderbliche Oberherrschaft gründe, sondern das Gleichgewicht 
zwischen den verschiedenen Staaten erhalten werde. 
Dieses System des Gleichgewichts verbreitete sich seit dem 
Anfange des sechzehnten Jahrhunderts allmälig über den ganzen Sü¬ 
den von Europa. Von den großen Monarchien hatte zuerst Frank¬ 
reich durch Verbindung der großen Lehen mit der Krone innere Festigkeit 
und Einheit gewonnen. Kaum war dies geglückt, als zuerst Karl VIII. 
aus auswärtige Eroberungen dachte und Italien als eine leichte Beute
	        
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