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Uedklsichl
der wichtig¬
sten Staaten.
seltener gestört, die Parteiungen im Innern der Staaten hörten immer
mehr auf; aber daß Volk nahm auch weniger Antheil an den öffentlichen
Angelegenheiten. Die Parteiungen, welche im siebzehnten Jahrhundert
in mehreren Staaten die Ruhe störten, waren zunächst religiöse, die sich
erst allmälig in politische umwandelten. Daß religiöse Interesse, ange¬
regt durch die in vielen Ländern begonnene und durchgeführte Refor¬
mation der Kirche, blieb lange Zeit von entscheidendem Einflüsse auf die
Politik.
Im Anfange der neueren Geschichte besitzen die Herrscher slawi¬
scher Staaten größtentheils eine unumschränkte Gewalt, während
in den romanischen und germanischen Staaten dex Adel, die
Geistlichkeit und bald auch die durch Handel zu Reichthum und hoher
Wichtigkeit gelangenden Städte mit mehr oder weniger ausgedehnten
Rechten die Gewalt der Fürsten beschränken. Die große Masse des
Landvolkes dagegen besitzt beinah noch überall keine persönliche Frei¬
heit und ist daher als eigener Stand von keiner politischen Bedeutung.
Fast in allen Staaten suchen die Fürsten ihre Gewalt auf Kosten der
Stände zu vergrößern und zu befestigen, und das gelingt ihnen fast
ohne Ausnahme mit einem überraschend glücklichen Erfolge. Bald wer¬
den die Familienverbindungen der Fürsten von Wichtigkeit, da
es Sitte wird, daß die Fürsten nur aus fürstlichen Familien ihre Ge¬
mahlinnen wählen. Besonders waren es die zahlreichen regierenden
deutschen Fürstenfamilien, aus denen die europäischen Fürsten ihre Ge¬
mahlinnen nahmen. So wurden allmälig beinahe alle Fürstengeschlechter
mit einander durch Verwandtschaft verknüpft, und wenn auch diese Ver¬
bindung nur selten einen unmittelbaren Einfluß auf die politischen Ver¬
hältnisse äußerte, so war sie dennoch ein Band, welches alle Fürsten
Europa's umschlang und sie gewissermaßen zu einer Familie vereinigte.
Dieser Umstand trug dazu bei, auch in den Verhältnissen der Staaten
zu einander eine humanere, völkerrechtliche Sitte einzuführen.
Das System des politischen Gleichgeivichtß bestand, wenn gleich
oft erschüttert, drei Jahrhunderte hindurch. Allein in der zweiten Hälfte
des achtzehnten Jahrhunderts war der Geist, der dem Systeme Leben
ulid Bedeutung gegeben hatte, allmälig erloschen. Die Theilung von
Polen war daß erste Beispiel einer offenbaren, ungescheuten Verletzung
aller der Grundsätze, die bisher als die Stützen des politischen Gleichgewichts
angesehen worden waren. Eine solche offenbare Verletzung, einmal un¬
gestraft begangen, konnte nicht ohne Folgen und nicht ohne Nachahmung
bleiben. Eine Reihe außerordentlicher Umstände, veranlaßt durch die
französische Revolution, befördert durch den Kleinmuts), die Selbst¬
sucht und die Kurzsichtigkeit der Fürsten und Völker Europa's und vor
allen durch den festen, nichts scheuenden Willen Napoleons, führte die
gänzliche Auflösung deß bisherigen politischen Systems von Europa
herbei. Nach dem Sturze Napoleons wurde das europäische Staateu-
system auf neuen Grundlagen wieder aufgebaut.
Beim Beginn der neueren Geschichte bestand noch die doppelte
Majestät des römischen Papstes und des deutschen Kaisers, aber die
Grundfesten beider Weltthrone wurden heftig erschüttert und begannen
zu wanken. Die Macht des Papstes wurde durch das Licht der