190
Heinrich IV. war bemüht das habsburgische Regentenhaus
in seiner spanischen und östreichischen Linie zu schwächen.
Zu diesem Zwecke und um einen dauernden Frieden in Europa herzu¬
stellen, soll er den Plan gehabt haben, Europa in 15 gleich mächtige
Staaten zu theilen, so daß unter ihnen ein möglichst vollkommnes Gleich¬
gewicht entstehen sollte. Als im März 1609 der letzte Herzog von Jülich,
Cleve und Berg starb, suchte der kaiserliche Hof die nächstberechtigten
Erben, den Kurfürsten von Brandenburg und den Pfalzgrafen von Neu¬
burg, an der Besitzergreifung zu verhindern. Heinrich IV. war ent¬
schlossen zu verhüten, daß die Besitznahme der jülichschen Erbschaft durch
Oestreich erfolge. Zu diesem Zwecke verständigte er sich mit der Union
zu Hall in Schwaben. Auch England war mit Frankreich darin ein¬
verstanden, daß die Macht von Oestreich durch keinen neuen Länder¬
erwerb vergrößert werden dürfe. Es schien, als ob die beiden christlichen
Parteien, welche Deutschland und Europa trennten, über diese Frage in
offenen Kampf gerathen würden. Bereits hatte Heinrich IV. ein starkes
Heer geworben, dessen Leitung er selbst zu übernehmen gedachte, als er,
am Tage nach der zu St. Denis erfolgten Krönung der Königin, in der
Straße La Ferronerie zu Paris durch Franz Ravaillae aus Angou-
leme erstochen wurde (1610). Die Nachricht von diesem entsetzlichen
Vorfall traf ganz Frankreich wie ein Donnerschlag. Wenige Köitige sind
so tief betrauert und so lange nach ihrem Tode mit Rührung und Dank¬
barkeit zurückgewünscht worden. Bis aus 58 Jahre hatte Heinrich IV.
sein Leben gebracht. Schon im 30sten Jahre war sein Haar grau ge¬
worden, weil, wie er sagte, der Wind des Unglücks über sein Haupt
hinweggeweht sei. Mit starkem Arm hatte er Frankreich aus dem Ver¬
derben gerettet; er war ein kühner, offener, mit warmer Liebe seinem
Volke sich hingebender Regent, aber der Leidenschaften nicht immer Herr.
Ludwig xiii. Heinrichs IV. ältester Sohn, Ludwig XIII. (1610 —1643), war
gtdtjeiini. kaum neun Jahre alt. Seine Mutter Maria von Medici ließ sich
vom Parlament die Regentschaft übertragen, obgleich es nur beu Stän¬
den zukam, eine Regentschaft anzuordnen. Um die einflußreichen Großen
an sich zu fesseln, streute Maria mit voller Hand die Schätze aus, welche
Heinrich IV. zur Verwirklichung seiner Pläne gesammelt hatte. Alle
Maßregeln der vorigen Regierung wurden untergraben oder geradezu
zurückgenommen. Sulli begehrte und erhielt seine Entlassung. Die Rich¬
tung gegen Spanien und Oestreich wurde aufgegeben und 1612 in dem
Vertrage zu Fontainebleau die Vermählung des jungen Ludwig mit der
Infantin Anna, und Philipps, deß Prinzen von Asturien, mit Elisabet,
der Tochter Heinrichs IV., festgesetzt. Den größten Einfluß auf die Kö¬
nigin hatten Leonore Galigai, ihre frühere Kammerfrau, und der
mit dieser vermählte Florentiner Concini, welcher zum Marquis von
Ancre, zum Großstallmeister und zum Marschall von Frankreich er¬
nannt wurde. Ludwig XIII. wurde 1614 für mündig erklärt, doch
behielten Maria von Medici und der Marschall von Ancre die Leitung
der Geschäfte. Der Einfluß des verhaßten Fremdlings, die Verschleude¬
rung der Staatsgelder und die willkürlichen Hemmungen des Rechts¬
ganges erregten allgemeinen Unwillen. Maria sah sich genöthigt eine
Versammlung der Stände zu berufen (1614), aber die Uneinigkeit