Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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der Nähe von Ulm entfernt, Böhmen aber und die Erblande Oestreichs 
von dem Stillstände ausgenommen werden sollten. 
Nachdem sich so die Protestanten in dem entscheidenden Augenblicke 
ihrer Mittel zur Vertheidigung begeben hatten, brach Maximilian mit 
dem unter Tilly's (S. 133) Befehl stehenden ligistischen Heer von 
26,000 Fußgängern und 3000 Reitern nach Ob er öftre ich auf und 
nöthigte dessen Stände, dem Kaiser die bisher ver>veigerte Huldigung zu 
leisten. Während Johann Georg mit 15,000 Sachsen in die Lausitz 
vordrang und Bautzen besetzte, Spinola mit 20,000 Spaniern die 
Kurpfalz unterwarf, wandte sich Maximilian nach Böhmen, vereinigte 
sich mit den Regimentern des Kaisers und verfolgte unaufgehalten die 
Straße nach Prag. 
Auf der Höhe des weißen Berges vor Prag ordnete der Fürst 
Christian von Anhalt das aus 20,000 Mann bestehende Heer der 
Böhmen. Es war am 8. November 1620, an einem Sonntage, an 
welchem durch ein seltsames Zusammentreffen in den Kirchen über die Worte 
gepredigt wurde: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist. Mittags 12 Uhr 
begann die Schlacht, nach einer Stunde war sie für die Böhmen ver¬ 
loren. Die Stellung derselben auf der Höhe war vortrefflich, die Führer 
thaten ihre Schuldigkeit, aber der Mehrzahl des böhmischen Heeres fehlte 
Selbstvertrauen, Einigkeit und Gehorsam. 4000 Böhmen bedeckten die 
Walstatt, und mit nur 16 Reitern sprengte der alte Fürst von Anhalt 
nach Prag. Noch war die Sache der Böhmen nicht rettungslos ver¬ 
loren. In Pilsen stand Graf Ernst von Mansfeld mit 12,000 Mann, 
8000 Ungarn näherten sich der böhmischen Hauptstadt, die Schlesier 
zeigten sich nicht entmuthigt, die Bürgerschaft von Prag erbot sich zur 
Vertheidigung der Mauern, und eine Belagerung hätte wegen der späten 
Jahreszeit nicht lange und kräftig fortgesetzt werden können. Allein 
Friedrich hatte Muth und Besonnenheit verloren. Er entfloh am folgen¬ 
den Morgen nach Breslau, von da nach Berlin und von da nach Hol¬ 
land zu Moritz von Oranien. 
Am Tage nach der Schlacht hielt das Heer der Liga seinen Einzug 
in Prag. Nach der Flucht Friedrichs unterwarfen sich wie Böhmen, so 
auch Mähren und Schlesien. Länger als drei Monate nach der Schlacht 
am weißen Berge blieb in Böhmen alles ruhig, und viele überließen sich 
der Sorglosigkeit wegen der verunglückten Erhebung. Da wurden in 
einer Nacht 48 der vornehmsten Häupter des Aufstandes verhaftet und 
27 derselben nach einem höchst summarischen Proceß öffentlich hingerich¬ 
tet. Mehr als 700 Edle wurden ihrer Güter beraubt. Die protestanti¬ 
schen Geistlichen mußten das Land verlassen oder den Ritus der kgtholi- 
schen Kirche wieder annehmen, sich von ihren Frauen lossagen und sich 
einer Weihe durch den Erzbischof von Prag unterwerfen. Die Leitung 
der Universität Prag wurde den Jesuiten übergeben und von diesen wur¬ 
den Tausende zur katholischen Kirche zurückgeführt. Den Bürgern, welche 
nicht katholisch werden wollten, wurden zwanzig bis dreißig Soldaten 
ins Haus gelegt. Dreißigtausend Familien verließen Böhmen. Vom 
Majestätsbrief löste der Kaiser mit eigner Hand das Siegel und zerschnitt 
die Unterschriften. Der Trotz der Böhmen war gebrochen, aber auch der 
freien Entfaltung und den geistigen Fortschritten des Landes von dem 
eigenen Herrscher eine tiefe Wunde geschlagen. Wie in Böhmen so
	        
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