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feie Tragödie vollendet. Faust, mit dessen zweitem Theil Goethe 1831
seine poetische Thätigkeit beschloß, erschien 1790 als Fragment.
In den nächsten Jahren wandte sich Goethe mehr zur Betrachtung
der Natur; er schrieb die Metamorphose der Pflanzen und die
optischen Beiträge. Dann vollendete er den schon früher angefan¬
genen Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. Das innige Ver¬
hältniß, in welches Goethe und Schiller seit 1794 traten, regte auch
Goethe von neuem zu poetischer Thätigkeit an. Neben einer Reihe von
Balladen und den trefflichsten lyrischen und didaktischen Gedichten er¬
schien sein unübertreffliches bürgerliches Epos Hermann und Doro¬
thea, in welchem Goethe Begebenheiten der Gegenwart und zwar des
häuslichen und bürgerlichen Lebens im reinsten epischen Stile schilderte.
Die Verbindung mit Heinrich Meyer veranlaßte Goethe zu ar¬
chäologischen Studien und zur Herausgabe der Propyläen, einer
archäologischen Zeitschrift. Nach Schillers Tode (1805) wandte sich
Goethe immer mehr den schon lange liebevoll gehegten Naturstudien zu,
als deren Frucht 1810 die Farbenlehre erschien. Von seinen übri¬
gen Werken nennen wir nur noch den Roman die Wahlverwairdi¬
sch asten und feie herrlichen Schilderungen seines eigenen Lebens in
Wahrheit und Dichtung.. In der lyrischen Poesie neigte er sich
immer mehr zum Didaktischen und Allegorischen hin und versuchte sich
auch im westöstlichen Divan in der Form der orientalischen Poesie.
Während eines langen Lebens hat Goethe nach allen Seiten hin
in unserer Literatur Licht und Wärme ausgestrahlt, ec hat auf den ver-
schiedenften Gebieten neue Bahnen eröffnet und seiner und aller folgen-
den Zeit in seinen unsterblichen Meisterwerken vollendete Muster des
Schönen aufgestellt. Ein sanfter, schmerzloser Tod nahm ihn am 22.
März 1832 hinweg. Sein letztes Wort war: Lickt, mehr Licht!
Friedrich Schiller wurde am 11. November 1759 in dem wür-
tembergischen Städtchen Marbach geboren, in deffen Nähe sein Vater,
damals würtembergischer Lieutenant, in einem Uebungslager stand. Ein-
zelne Züge, deren man sich aus Schillers frühesten Jahren erinnert,
sind Beweise von Weichheit des Herzens, Religiosität und strenger Ge-
wissenhaftigkeit. Den ersten Unterricht erhielt er von dem Pfarrer Mo-
>er in Lorch, einem würtembergischen Grenzdorfe, wo Schillers Eltern
von 1765 an drei Jahre lang sich aufhielten. Schillers Familie zog
1768 nach Ludwigsburg, und hier sah der neunjährige Schiller zum er-
stenmale ein Theater. Der Eindruck war tief und bleibend. Schiller
lebte wie in einer neuen Welt, alle seine jugendlichen Spiele bezogen
sich auf das Theater. Bis zum Jahre 1773 erhielt er Unterricht in
einer öffentlichen Schule zu Ludwigsburg, 1773 aber wurde er in die
vom Herzog errichtete Karls schule ausgenommen. Er mußte hier
seinem Wunsche Theologie zu studiren entsagen und sich zur Rechtsge¬
lehrsamkeit entschließen. Als die Anstalt eine größere Ausdehnung der
Lehrfächer erhielt, vertauschte ec die Jurisprudenz mit dem Studium
der Medicin. Nach beendigtem Cursus vertheidigte er 1780 eine Probe-
schrisc: Ueber den Zusammenhang der thierischen Natur
des Menschen mit seiner geistigen, und erhielt eine Anstellung
als Regimentsarzt.
Schiller.