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alles weg, was sie von irgend einer armen Holzhauerßfamilie unterschied.
Der Weltheiland kann in seinen ersten Lebenßstunden so wenig als ein
anderes nengebornes Kind, namentlich um Weihnachten, unbekleidet auf
Stroh oder auf dem Schooß der Mutter ausdauern, er wird deshalb
eingewickelt wie ein anderes Wickelkind. Der Heiland der Blinden und
Lahmen erscheint als ein Wunderdoctor, wie er im einsamen Hirtenhaus
auf dem Lande gefunden wird. Auf diesem Wege lief die Kunst Gefahr
alle Bedeutsamkeit und allen höheren Reiz zu verlieren. Gegen diesen
trüben Ausgang war Rembrandt auf eigenthümliche Art behütet. Denn
was seine Bilder durch Verschmähung alles Ungewöhnlichen, Wunder¬
baren und Uebernatürlichen an poetischem Geiste verloren, das erlangten
sie durch die Zauberwirkung des Lichtes wieder, Durch welche die wirk--
liche Welt in eine Wunder - und Mährchen-Welt verwandelt wurde.
Die Anordnung seiner historischen Compositionen bezog sich fast einzig
auf diese Lichtwirkung und das dadurch bedingte Helldunkel, das er
mit der größten Meisterschaft handhabte. Das Costüm holte sich Rem¬
brandt aus der Schenke und vom Trödelmarkt und verwendete aus Ab¬
neigung gegen alles Gesuchte und Ideale auf die Ausbildung des Ge¬
schmackes keine Mühe. Das Hauptverdienst von Rembrandt besteht in
seinen Bildnissen.
Als Genremaler zeichneten sich aus David Teniers der
Aeltere (1582—1649) und besonders David Teniers der Jün¬
gere (1610—1690). Der letztere richtete sein Auge auf Erscheinungen,
an denen die Kunst biß dahin vorübergegangen war. Er wählte sich für
seine Darstellungen die flämischen Bauern, unbeirrt durch die Plumpheit
ihrer Gestalt und Züge, durch das Gewöhnliche ihrer Tracht, durch die
Dürftigkeit ihrer Wohnung, ihres Hausrathes, ihrer ganzen Existenz.
Er fand bei ihnen, was er suchte, eine Fülle guten Humors und die
Fähigkeit, auch unter ärmlichen Umständen sich glücklich zu fühlen.
Außer Trinkstuben und Tanzplätzen, Dorf-Kirmsen, Hochzeiten und
Jahrmärkten, Bücgerwachen, Soldatenscenen und dergleichen, die den
Hauptinhalt seiner Bilder ausmachen, hatte Teniers noch einige Lieb¬
lingsgegenstände, die er wiederholt behandelte. Dahin gehört vor al¬
lem der Alchymist. Mit wahrer Lust führt er uns in die wirre Wirth¬
schaft dieser wunderlichen Menschen ein, die ihr Glück in Töpfen und
Tiegeln, Retorten und Blasen suchen und mit stillem Vergnügen das
Feuer des Heerdes anblasen, um Gold zu kochen. Noch weiter von
dem fröhlichen Treiben entfernte er sich in Darstellungen von Zauberern
und Hexen und ihrem phantastischen Hausrath.
Adrian Brower aus Hartem (1608—1640) war in dem Hütten-
und Kneipenleben völlig heimisch. Raufereien und ausgelassene Saufe¬
reien, Ungezogenheiten mit Weibern, Marktschreier und Quacksalber,
Zahnbrecher und Dorfbarbiere bilden den Hauptinhalt seiner Bilder, die
in kecker, breiter Manier gezeichnet, mit großer Leichtigkeit gemalt sind.
Mit Teniers und Brower in der Wahl der Gegenstände verwandt,
aber in der Feinheit des Gefühls wie in rein künstlerischer Beziehung
ihnen überlegen ist Adrian von Ost ade aus Lübeck (1610 —1685).
Er hatte einen äußerst feinen Sinn für das Komische; ganz unnachahm¬
lich aber sind seine Schilderungen der gemüthlichen Hausfreude am
Kamin, wenn beim Klang der Bierfidel einem alten Bauer die Tanzlust