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Gymnasiums, dahinter Alt-Worms mit seinen engen, winkligen
Gassen und den kleinen Häusern. Die Türme des Doms grüßen zu
uns herüber. Jenseits von ihm liegt das neue Worms mit seinen
breiten Straßen, das sich über den Bahnhof hinaus bis in die Vor¬
orte ausdehnt. Rauchende mächtige Schornsteine überragen die
Häuser der Stadt und zeigen uns, daß auch dort die Gewerbs-
tätigkeit blüht. Die Lederfabriken genießen einen Weltruf. Die
Stadt hat sich trotz der schweren Schicksalsschläge, die im Laufe
der Jahrhunderte über sie hereinbrachen, rasch erholt; besonders
seitdem sie unter dem Schutze hessischer Fürsten steht, hat sie einen
schnellen Aufschwung genommen. Der zunehmende Handel und
Verkehr legen Zeugnis ab von der Regsamkeit und dem Fleiß
der Bürger. — Auch heute noch wie früher steht das sagen- und
und geschichtsberühmte Worms treu zu Kaiser und Reich. Wün¬
schen wir ihm, daß das, was sein alter Wahrspruch sagt, in alle
Zukunft getreulich sich erfüllen möge:
Worms, das hoher Ehren wert,
Freude sei dir stets beschert! H. Breidenbach.
149. Bon den Deutschen in Ungarn.
Gegen drei Millionen Deutsche gibt es in Ungarn. Ihre Vor¬
fahren sind nicht als Eroberer, auch nicht als Eindringlinge nach
Ungarn gekommen; sie sind dem Ruse der ungarischen Könige
oder der österreichischen Herrscher gefolgt, die durch die neuen An¬
siedler dem Volke der Magyaren eine höhere Kultur übermitteln
wollten. So waren unter Stephan I. (995—1038) ganze Scharen
deutscher Adeligen und Bürger, besonders bayrischer Abstammung,
eingewandert; dieser König hatte seinem Sohn und Nachfolger
die Deutschen ausdrücklich als „Stützen und Zierden" des Reiches
empfohlen.
Die Einwanderung dauerte fort, und breitete sich über das
ganze Land aus, von der Leitha im Westen bis zum äußersten
Südosten; fast alle großen deutschen Stämme waren vertreten,
unter den siebenbürgischen Einwanderern vor allem Franken von
der Mosel und vom Niederrhein. Die bedeutsamste Siedelung des
Mittelalters für Ungarn ist gerade die der Deutschen in Sieben-