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zeugung der Gelehrten und Ungelehrten, daß die päpstliche Oberherrschaft
mit ihren im geistlichen Rechte enthaltenen Befugnissen und Ansprüchen
auf der von Christus selbst eingesetzten, in ihren wesentlichen Bestand-
theilen unveränderlichen Kirchenverfassung beruhe. „Weltliche Obrigkeit, sagt
Luther, lag ganz und gar unter dem geistlichen Riesen und Tyrannen."
Nur von Rom aus wurden die höheren kirchlichen Stellen besetzt; dort¬
hin flössen die Schätze der Völker unter dem Namen von Annalen,
Zehnten, Dispensationen, Jndulgenzien.
Von keinem der damaligen Reiche gilt dies so sehr, so uneinge¬
schränkt, als von dem der Deutschen. Schon der Name desselben und
des Oberhauptes deutet darauf hin: römischer Kaiser, heiliges römisches
Reich deutscher Nation. Der Name war nur ein Zeichen der Erniedri¬
gung unter Rom. Die päpstliche Macht war im deutschen
Reiche die erste und größte. Nachdem geistlichen Rechte und nach
der herrschenden Meinung war die päpstliche Macht über der kaiserlichen.
Sie war die stärkere schon durch das Bewußtsein des Sieges, welchen
sie über das Kaiserthum errungen, und durch die Erinnerung an die
Demüthigungen, zu welchen das letztere sich so oft hatte verstehen müs¬
sen. Der Papst stand an der Spitze einer kunstvoll gegliederten, ge¬
horsamen Hierarchie, der Kaiser an der Spitze einer unlenksamen Ari¬
stokratie. Der Kaiser führte die Negierung des Reichs nur mit dem
Beirath der Reichsstände, welche die wichtigsten Rechte des weltlichen
Oberhauptes an sich gebracht hatten und fast alle wirkliche Gewalt be¬
saßen. Unter den Reichßstänven befand sich eine fast unübersehbare
Menge von Geistlichen, welche zugleich Kirchen- und Landesfürsten
waren. Ihnen gehörte der fünfte Theil des Grund und Bodens, sie
waren eivlich verpflichtet, dem Reiche nur so weit Gehorsam zu leisten,
als es sich mit dem Gehorsame gegen den Papst vertrug. Die Reichs¬
tage wurden unter der vereinten Autorität der Päpste und der Kaiser
berufen und abgehalten, auch von den päpstlichen Legaten, selbst vor
dem Eintreffen der kaiserlichen Abgeordneten, eröffnet. Die päpstlichen
Legaten gaben den Reichsständen Weisungen, sprachen Rügen über sie
aus. In keinem andern Lande standen die Geldmittel des Volkes den
Päpsten so sehr und den Königen so wenig zu Gebot, als in Deutschland.
Auf die Bildungßanstalten übten die Kaiser fast gar keinen Einfluß, die
Kirchenhäupter dagegen den mächtigsten und durchgreifendsten. Keine
andere Nation hatte so nachtheilige Concordate mit den Päpsten geschlos¬
sen, als es von Friedrich III. im Namen der Deutschen geschehen war,
und bei keiner andern setzten sich die Päpste so oft und so ungescheut über
die Bestimmungen derselben hinweg. Die Bischöfe und geistlichen Obern
waren meistens ebenso unwissend wie die Priester und Mönche und ge¬
horchten dem Papst. Sie waren zum größten Theil aus fürstlichen
Häusern, und die weltlichen Interessen ihrer Familien gingen ihnen über
alles. Klagten sie auch zuweilen über die päpstlichen Eingriffe, so ver¬
blendete sie der Mitgenuß der Herrschaft. Der Habsucht und dem Eigen¬
nutz des römischen Hofes opferten die Bischöfe das Wohl ihrer Sprengel
auf. Es ist im Einzelnen gar nicht zu beschreiben oder zu berechnen,
welche ungeheuren Summen die Päpste aus den deutschen Bisthümern
zogen, wie sie durch immer neu ausgeschriebene Zehnten und Annaten,
Jubeljahre und Ablässe das Land brandschatzten und aussogen. Alle