Full text: Darstellung der allgemeinen Verhältnisse und Erscheinungen der Völkerkunde (I)

Kap. 2. Von der Religion. 259 
des transatlantischen. Götterdienstes zu Grabe gegangen. Was 
die durch eine lange Knechtschaft entwürdigten und durch eine 
halbe, äußerliche Bekehrung nicht gehobenen Nachkommen da¬ 
von in der Einsamkeit der Wälder und Gebirge bewahrt ha¬ 
ben mögen, ist schwer zu bestimmen, weil die Verheimlichung 
eben die nothwendige Bedingung der Fortdauer jener Erinne¬ 
rungen war. — 
Eine große Zahl von Völkerschaften hat übrigens, so¬ 
weit unsere dürftigen historischen Nachweisungen reichen, au 
jenen ausgebildeteren Religionsformen keinen Theil ge¬ 
nommen; es bildet ferner die lokale und soziale Isolirung, 
die innere Zerrissenheit und Zerspaltung derselben grade ihr 
eigenthümlichstes, ihr charakteristisches Merkmal, und dadurch 
ist natürlich auch jede gemeinsame Entwickelung, so Ln politi¬ 
scher wie in religiöser Beziehung, von vorn herein unmöglich 
geworden. — Die spärlichen, unzusammenhängenden und un¬ 
bestimmten Nachrichten, die wir über die religiösen Vorstel¬ 
lungen der amerikanischen heidnischen Völkerschaften gesam¬ 
melt haben, sind daher kaum ohne Zwang allgemein aufzu¬ 
fassen; es sind einzelne Züge, aus denen sich kein deutliches 
Bild zusammenfügen läßt. Einheimische religiöse Urkunden 
fehlen, und die fremden Beobachter haben, zum Theil im 
Eifer der Bekehrung oder weltlicher Interessen, zum Theil 
in der Schlaffheit eigener religiöser Indifferenz, grade diese 
Seite des Volkslebens minder scharf aufgefaßt, als zu wün¬ 
schen gewesen wäre. Was wir dennoch an trefflichen Beob¬ 
achtungen in dieser Beziehung besitzen, ist eben nur Einzel¬ 
nes, und eine allgemeinere Auffassung, die hier ohnehin schwie¬ 
riger als anderswo, sieht noch von der Zukunft zu erwarten. — 
Auf eine systematische Weise scheinen sich die religiösen 
Vorstellungen der heutigen ureinheimischen Völkerresie kaum 
irgendwo ausgebildet und entwickelt zu haben. — Die ame¬ 
rikanischen Polar-Völkerschaften theilen im Allgemeinen die 
Anschauungsweise der benachbarten asiatischen. Ihnen ist, 
wenngleich auf nationelle Weise modifizirt, derselbe Glaube 
an die Wirksamkeit der Geisterbeschwörung und Zauberei, die¬ 
selbe Düsterkeit und Trostlosigkeit der Weltanschauung eigen, 
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