mit dem Riesen einig, daß er zufrieden sein wolle, wenn man ihm
alle Jahr zu Mittsommer eine reine Jungfrau opfern würde. So
geschah es denn, daß das Opfer an den Ort gebracht ward, wo
jetzt das Siechenhaus steht, mit Blumen geschmückt und mit neuen
Wieden gebunden. Dann kam der Wassermann und betörte durch
sein Spiel ihre Sinne und verschwand mit ihr unter das Wasser. Die
Leute aber hatten in dem Jahre Ruhe, wenn sie ihn nicht neckten.
So war es schon manches teure Jahr gewesen, als auch einmal
das Opfer, ein schönes und frommes Mädchen, mit Klaggesang
hinausgeführt ward. Da sprengte von der Höhe herab ein leuch¬
tender Ritter auf weißem Roß, das Banner des Kreuzes in seiner
Hand. Als er die Traurigkeit sah und erfuhr, was im Werke sei,
erbot er sich, wenn man ihm ein Haus und Almosen verspreche,
das Land von dem Ungetüm zu befreien. Mit Freuden willigte das
Volk ein. Er aber hieß alle nach Hause gehn, auf daß sie nicht
durch des Wassermanns Tücke betört würden. Nun sprach er dem
Mädchen, das in Todesangst zitterte und bebte, guten Trost zu
und lehrte sie den rechten Glauben und taufte sie in des Herrn
Namen. Alsbald wogte das Meer auf, und der Wassermann kam
als scheußlicher Lindwurm daher, beide zu verschlingen. Der Ritter
aber schwang sich auf sein weißes Roß, sprengte ihm entgegen
und stieß ihm sein leuchtendes Banner tief in den Rachen. Da
ließ das Ungetüm mit schrecklichem Stöhnen sein Leben. Dann
band er die ohnmächtige Jungfrau los und befahl ihr, als sie sich
wieder besonnen, daß die Leute dort ein Haus errichten und unter¬
halten sollten für die elenden Siechen, die sie bisher nach des
Ortes Gebrauch tot zu schlagen pflegten.
Als die Menge auf des Mädchens Zurufen herbeikam, war der
Ritter verschwunden, ln Eile baute man nun ein für die Zeit statt¬
liches Haus und bildete daran ab, wie der Ritter das arme Opfer
befreit. Den Drachen aber fuhr man hinaus ins Meer und senkte
ihn in die Tiefe. Da ist er zu einem Stein worden, den die Fischer
noch Roggenbuk nennen. Er treibt langsam zurück, und kommt
er endlich wieder an das Haus in der Siechenbucht, so soll es der
Stiftung schlecht ergehen. Doch das wird der liebe Gott in Gnaden
verhüten.
44. Die Crave»
Lübeckisches Lesebuch. 1898. 4. Teil. 8. 129.
3wischen der mecklenburgischen und der Holsteinischen Seenplatte bildet
die Trave das Grenzgebiet. Hier durchzieht in der Richtung von
Norden nach Süden den baltischen Landrücken eine Senkung so tief und
ausgeprägt, wie sie in demselben von der Oder bis zur jütischen Grenze