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Allgemeine Einleitung.
zur Fluthwelle von etwa 100 Cubikmeilen emporgehoben, in 24s/4 Stunden
von Ost gen West einen Umlauf um die Erde vollbringt, vielmehr ist die
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Vorstellung die richtige, daß die Erde sich unter der Fluthwelle von West
gen Ost hindurchbewegt. Nicht zu bezweifeln ist, daß die Atmosphäre auch
Fluthhügel bildet; aber sie sind, da der Luftdruck dadurch nicht verändert
wird, noch nicht nachgewiesen. Ebenso kann man schließen, daß im Innern
der Erde, wenn sie heißflüssig war oder noch ist, ähnliche Bewegungen
hervorgebracht wurden oder noch werden. Die Erhebungen auf der Erde
und die unregelmäßigen Lagen der ehemals horizontal gebildeten Schichten
dort veräilderlich
sind nach Wahrscheinlichkeit dadurch mit veranlaßt worden.
Wie im Luftocean Strömungen, hier
herrschen, so giebt es auch in den Weltmeeren Strömungen (s. Fig. 39),
und ihre Kenntniß ist für Schifffahrt und Handel von der allergrößten
Wichtigkeit. Diejenigen, welche vom Winde erzeugt werden. Treib- oder
Dristströmuugen, sind langsam und schwach; die anderen, eigentliche
See ströme genannt, entstehen durch Rotation der Erde, die Passate und
die verschiedene Wärme und Dichtigkeit des Meerwassers in verschiedenen
Breiten, was eine Folge der verschiedenen Verdunstung ist, also aus ganz
ähnlichen Ursachen, wie die Winde, welche selbst wieder Antheil an der
Fortbewegung nehmen. Ferner stimmen beide Arten von Strömungen auch
darin überein, daß sie entweder neben oder über einander hin fließen und
daß die ungleiche Rotationsgeschwindigkeit der Erde in verschiedenen Breiten
ihre ursprüngliche Richtung abändert. Die tropfbarflüssige Beschaffenheit,
wie die Gestalt des den Ocean begrenzenden festen Landes bewirken indeß
doch eine bedeutende Abweichung von den Luftströmungen, nämlich eine
weit geringere Veränderlichkeit, selbst in höheren Breiten, so daß in gewissen
Gegenden stets kalte, in anderen stets warme Ströme angetroffen werden.
Sie haben oft eine Breite von vielen Meilen und übertreffen zuweilen selbst
an Geschwindigkeit die Ströme des festen Landes; es sind gleichsam Flüsse,
deren Ränder der ruhende Ocean selbst bildet. In den Aeguatorialgegenden
geht in den Weltmeeren ein Strom von 0 nach W mit einer Meile
Geschwindigkeit in der Stunde, die Aequatorialströmung. Sie sendet
mitten auf dem Atlantischen Ocean einen Zweig gegen NW ab, spaltet
sich nochmals beim Cap St. Rogue (Südamerika) und schickt einen Zweig
nach Süden längs der Küste Brasiliens, den brasilianischen Küsten¬
strom, während der andere nach dem Mexicanischen Golf läuft, wo er die
ganze Wassermasse in Bewegung setzt. Aus diesem geht er wieder durch den
Bahama- Canal bei Florida, nach Osten gerichtet, hinaus und heißt von
hier an der Golfstroin*). Anfangs hat dieser ungeheure oceanische Fluß
*) Der Golfstroin wurde 1519 von Alaminos entdeckt. Mit Recht sagt Ko hl:
Unser mächtiger oceanischer Strom hat wie der Nil, wie die Donau und wie jeder
andere Festland-Fluß» und in Uebereinstimmung mit seinen gigantischen Proportionen
noch viel nachdrücklicher» als irgend einer von diesen, die Unternehmungen, den
Wachsthum und den Fortschritt der Ansiedelungen und des Verkehrs der Menschen
beeinflußt. Maurv nennt ihn „the Wheatherbreeder“ and „the Stormking of the
Atlantic“ (Sturm- oder Wellenköuig des Atlantischen Meeres). I. G. Kohl»
„Aeltere Geschichte der Atlantischen Strömungen und namentlich des Golfstroms bis
auf Benjamin Franklin." Mit einer Karte. Zn der Zeitschrift f. Allgem. Erd¬
kunde. W. Koner. Neue Folge. Bd. Xl. Berlin, D. Reimer 1861.