VII. Deutschland.
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Stämme, wie die der Sueven oder Schwaben, der Katten (Hessen), der
Cherusker u. a., ist wahrscheinlich der Name Germanen, d. h. Wehr¬
mannschaften, entstanden. — Was man gewöhnlich die große Völkerwan¬
derung nennt und als ein räthselhafteS sich vorwärts und übereinander
Wälzen der Völker betrachtet, ist im Grunde nichts Anderes, als das sieg¬
reiche Ende des Jahrhunderte lang fortgesetzten Kampfes der Deutschen
gegen die Römer und ihres Bestrebens nach Ansiedelung in fremden Ländern,
bei Ueberfüllung des eigenen Vaterlandes oder beim Drange nomadischer
mongolischer Völkerzüge gegen Westen. So treten zuerst, schon 100 Jahre
v. Chr. Geb., die Cimbern und Teutonen, aus deni nördlichen Deutschland
oder der dänischen Halbinsel, Ansiedelung gegen treue Dienste im Kriege
begehrend, ans und unterliegen der überlegenen römischen Kriegskunst des
Marius, weil sie den Römern gerade in dem höchsten Punkte ihrer kriege¬
rischen Macht begegneten. So brechen die Helvetier aus ihrem Lande her¬
vor und tverden von Cäsar nach großem Verluste zurückgewiesen, und auch
Ariovist (Ehrenvest?), ein Oberhaupt der Sueven, wird von Cäsar über
den Rhein zurückgeworfen. Von nun an beginnt der beinahe ununter¬
brochene
endlich
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nach vier Jahrhunderten den vollständigsten Sieg erringen. Cäsar hatte
nur versuchsweise und ohne bleibenden Erfolg den Rhein, wahrscheinlich in
tw Gegend von Neuwied, überschritten. Unter Augustus hoffte man eine
Zeit lang, die Germanen zu unterjochen, wie es mit so manchen anderen
kriegerischen Völkern gelungen war. Drusus, der tapfere Stiefsohn Augusts,
drang in 4 Feldzügen, 12—9 Jahre v. Chr., bis an die Elbe, doch ohne
bleibende Eroberungen zu machen; sein Bruder Tiberius kämpfte nicht
allein mit Glück, sondern es gelang ihm auch, mehrere deutsche Völker¬
schaften zu gewinnen und als Hülsstruppen in Sold zu nehmen. Schon
glaubten die Römer, das Land bis an die Weser das ihre nennen zu
können, und der kurzsichtige Varuö unternahm es sogar, römische Sitten
und Gerichtsordnung einzuführen, als er mit 3 Legionen von den Deutschen,
unter Hermanns (Arminius), eines Fürsten der Cherusker, Anführung im
Teutoburger Walde, wahrscheinlich beim heutigen Feldrom (unweit Pader¬
born), völlig vernichtet tvard. Germaniens, der edle Sohn des Drusus,
unternahm vergeblich 4 Feldzüge, um die Erschlagenen zu rächen; frucht¬
lose, unentschiedene Siege waren Alles, was er gewann, und kaum nur
entging ein Theil seines Heeres dem Schicksal des Barus. Hermann aber, der
mit Recht jetzt allgemein gefeierte Retter der deutschen Freiheit, von seinen
eigenen Zeitgenossen wenig erkannt, von seinem Schwiegervater Segest, dem
er die Tochter Thusnelda entführt hatte, zeitlebens angefeindet, dessen
eigener Bruder unter dem Namen Flavius im Römerheere diente, fiel
durch Meuchelmord, als ein Opfer der kleinlichen Eifersucht seiner Ver¬
wandten und anderer Oberhäupter. Doch lebte zu Tacitus' Zeiten sein
Andenken in den Liedern, die das Volk zu seiner Ehre sang. Von der
Zeit an ward es Grundsatz der Römer, sich aus den Besitz des Rhein-
und Donauufers zu beschränken, und lange genug gelang es ihnen, diese
wohlbefestigten Grenzen unter harten Kämpfen zu behaupten. Siegreich
führte noch Trajan den Krieg im heutigen Ungarn und überschritt die