Geschichte der Geographie. 
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der Mannschaft gelang, auf einer immer kleiner werdenden Eisscholle von der 
Strömung hinabgetragen, am 13. Juni 1870 die Brüdermission Friedrichsthal 
an der Südspitze von Grönland glücklich zn erreichen. Zwar ist die Germania 
an der Ostküste von Grönland, der Basis für das Vordringen nach den polaren 
Gebieten, nur bis 75° 31' u. Br. gelaugt, und die Schlittenreisen haben auch 
nur bis zu 77° 1' geführt; aber die Zugänglichkeit Ost-Grönlands ist von neuem 
festgestellt worden, nachdem schon Henry Hudson int Juui 1007 jene Küsten 
zuerst entdeckt und erreicht hatte, und sie seit dem wiederholt angesegelt waren. Des- 
gleichen haben Henglin und Zeil aus ihrer Sommerfahrt des Jahres 1870 ein 
großes Land östlich von Spitzbergen (König Karl-Land, südlich von Gillisland) 
entdeckt. So ist durch diese und andere Fahrten des Jahres 1870 die Kenntniß 
der Polarregionen bedeuteud gefördert worden: ausgedehnte Küstenstriche von 
Ost-Grönlands) Ost-Spitzbergen, Ost- und Nord-Nowaja-Sjemlja haben sich als 
zugänglich, und nicht minder weite Meerestheile^), die man sich bisher mit ewigem 
und festem Eise erfüllt dachte, als schiffbar erwiesen. 
Auch wurdeu in diesem Jahrhundert während der Jahre 1810—42 durch James 
Clarke Roß in dem südlichen Eismeer oder antarktischen Polarmeer 
Küsten entdeckt, das Victoria-Land mit dem 3900 m (12,000') hohen Vulkane 
Erebns und dem erloschenen noch höheren Vulkane Terror; ob dieselben einem 
Coutiueut oder durch Eiswälle verbundenen Inseln angehören, blieb ungewiß. 
Unter den wissenschaftlichen Expeditionen znr Durchforschung der Länder ist 
keine berühmter geworden, als die Alexander von Hnmboldt's, des wissen- 
schaftlichen Wiederentdeckers von Amerika, der seine Resultate in seinem großen 
Reisewerke niederlegte: Reisen nach den Aeqninoktialgegenden des neuen Contiueuts 
in den Jahren 1799 —1804. Den Spuren des großen Reisenden folgend, 
arbeiten seitdem zahllose Jünger für eine tiefere Erkeuutuiß unseres Planeten. 
Die größte Bedeutung für den Handel wie für die Auswanderung erlangte 
seit dieser Zeit Amerika, wo et» verjüngtes Menschengeschlecht mit den Erfahrungen 
des alten iu einem Erdtheile, dessen Produktiousfähigkeit größer ist, als die irgend 
eines andern, unter ganz ueueu Bedingungen eine neue Welt schafft, deren der- 
einstiger Einfluß aus die alte sich uicht berechnen läßt. Zugleich hob sich der 
Verkehr über den großen Ocean mit der Entdecknng des Goldreichthnms in Cali- 
fornien nnd des aufblühenden Handels von San Francisco, das seit 1869 
#) Auf der Petermaun'fchen Karte der Ostküste Grönlands sind zum ersten Male eine Reihe deutscher 
Namen eingeschrieben, als: Augusta-Bucht, Wilhelm-Jnsel, nebeu ihr die Bismarck-Straße, iu ihr 
Roon-Insel, ein Felsen-Vorgebirge aus der Wilhelm-Jnsel, genannt Kap Moltke u. s. w. 
»») So besonders das Nowaja-Sjemlja-Meer (zwischen dieser Insel und Ost-Spitzbergen) durch die 
österreichische Expedition unter Weyprecht und Payer (Juni —September 1871), der es auf einem kleinen 
Segelschiffe, dem „Jsbjörnen", d. h. EiSbär, möglich war, ohne Hindernisse in einem auf 18 Längengrade fast 
eisfreien Meere beinahe bis zum 79. Breitengrad vorzudringen. Neue Expeditionen sind in Thätigkeit, um auf 
dieser durch die Einwirkungen des Golfstromes so günstigen, auch für den Fischfang so bedeutsamen Basis gegen 
den Nordpol vorzudringen; schon hat Altmann (Sommer 1872) König Karl-Land erreicht, untersucht und 
entdeckt, daß dasselbe aus drei größereu und mehreren kleineren Inseln besteht, während die neue österreichisch- 
ungarische Expedition unter Weyprecht und Payer (1872—1874), deren eigentliches Ziel die Auffindung 
der nordöstlichen Durchfahrt war, auf einer unfreiwilligen Schollenfahrt deS Schraubeudampfers „Tegetthoff" 
zur Entdeckung eiues ausg edehn ten Jnfelcomplexes, nördlich von 79<> 51', wo der „Tegetthoff" auf seiner 
Eisscholle sitzen blieb und später verlassen werden mußte, geführt, und somit Petermann's Annahme eines inner- 
arktischen Archipels ihre theilweise Begründung erhalten hat. Auf Schlittenreifen gelangten die todesmuthigeu 
Polarfahrer bis zu 820 5' (Kap Fligely) und vermochten das nördlich gelegene, durch einen breiten Snnd 
getrennte „Petermann-Land" bis zn 83° (Kap Wien), sowie anch das westlich davon sich erstreckende 
Franz-Joseph-Land festzustellen. Der Rückzug führte die kühne Mannschaft nach zwei Monaten der uu- 
eryortesten Anstrengungen nur 13 Kilometer (2 Meilen) südlich von dem „Tegetthoff"; endlich sah sich dieselbe an 
der Küste von Nowaja-Sjemlsa gerettet. Ueber die dortigen Strömuugsverhältnisse verspricht die Schollenfahrt 
des „Tegetthoff" die wichtigsten Aufschlüsse. 
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