I. Einleitendes und Allgemeines.
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Elemente, die Factoren, aus denen eben so die Kunstepoche, mit der
sich das Mittelalter schließt, als die Bildung der ganzen folgenden
Zeit zu erkennen ist. Die Weise, wie jene Elemente getrennt oder
geeint, gemeinsam oder theilweise, vorhanden sind, giebt den Maa߬
stab, die berührte Kunstperiode in sich selbst zu unterscheiden. So
sind Dante und Petrarca schon romantisch-antik. In ihnen klingt
jene Elegie der Liebe, die Jahrhunderte zuvor in den provencalischen
Liedern gewaltet, auf klarere, höhere Weise nach; ihre Form ist
schon der antiken genähert. Raphael schließt die romantisch-christ¬
liche Periode der Malerei, Buonarrotti beginnt die romantisch¬
antike. Er verhält sich zur neuern Kunstentwicklung, etwa wie
Macchiavelli, — schon mehr ein antik-moderner Charakter, zur
neuern Politik oder Shaksp eare zur neuern Poesie. Buonarroti
eröffnet, wie Shakspeare die neuere Zeit. Beide gehören darum
zweien Welten an. Buonarroti trug die antike Welt herein in
die moderne, wie eS der Riesengeist Shakspeare's war, der,
theilweise noch auf dem Boden der alten Romantik, die Zeit des
Protestantismus großartig und gewaltig begann. Shakspeare
kann ein Jahrhundert früher geboren, nicht begriffen werden. Rur
die Klarheit eines sich auf neuen Bahnen dem Lichte zudrängenden
Weltverstandes hat ihn erzeugt; der Kampf um eine Welt des Gei¬
stes und seine Mühe und sein Unglück in der Zeit, mußte schon be¬
gonnen haben. Er steht auf der Grenzscheide zweier los sich ringen¬
der Hemisphären. Romantische Elemente spielen noch herein in seine
Welt; ein Geisterspuk, eine dämonisch-zauberische Gewalt tritt außer¬
halb der Sphäre des Gedichtes auf, wie ein unheimlich-umstrickendes
Gewebe, eine Magie über der Welt der Wirklichkeit. Es ist nicht
die in sich gefestete, nothwendige Idee des griechischen Schicksals,
sondern eine freie, spielende Macht, deren Thun und Spielen gegen
die Welt, dem Farbenduft der Blumen vergleichbar ist, der mehr
von Außen hingehaucht, als aus der Blume hervorgegangen und
mit ihr zusammengewachsen erscheint. Dieser romantische Zauber ist,
wie es das griechische Schicksal nicht ist, die Idee des Absoluten,
des Geistes, aber noch in ungeheurer Ferne von seiner Realität, wie
er der Wirklichkeit überhaupt abseits steht, und sein Rapport mit ihr
ein leiser, oberflächlicher ist. Aber diese Wirklichkeit für sich, die
Welt in ihrer freien Gestaltung ist bei Shakspeare keine weiche,
leichte der Sehnsucht und des Verlangens mehr, sondern der ganze,