Full text: Neuere Geschichte (Theil 3)

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IX. Philipp II. 
seine Hände gingen, waren meistens länger als diese. Von seinen 
Untergebenen verlangte er die penibleste Aeeuratessc und so erschwerte 
und verlängerte er jedes Geschäft; seine Geheimschreiber mußten ge¬ 
nau und sorgfältig schriftlich berichten, was den Tag über auf ihren 
Schreibstuben vorgegangen war. War irgend etwas zu beschließen, 
so hielt er täglich Junten und Rathsversammlungen, in denen es 
niemals zu einem Entschlüsse kam, da er sich stets die Entscheidung 
vorbehielt. Kam diese nach langer Zeit endlich zum Vorschein, so 
zeigte sie sich gewöhnlich als die Bestätigung eines Vorschlages, der 
schon in der ersten Versammlung gemacht war, was aber Philipp 
nie anerkannte, sondern stets die Ehre der Erfindung selbst in An¬ 
spruch nahm. Hatte er aber auch wirklich einen Entschluß gefaßt, 
so war er seiner Sache doch immer noch nicht sicher, er verzögerte 
den Bescheid möglichst lange, und gab er denselben, so war er oft 
in so zweideutigen und unklaren Worten abgefaßt, daß er die Bitt¬ 
steller in die größte Verlegenheit setzte. 
Sein Lieblingswunsch war es, überall in seinen Staaten die 
katholische Religion aufrecht erhalten und die Ketzerei ausgerottet zu 
sehen; denselben zu erreichen, setzte er alle Kräfte in Bewegung und 
galt eS ihn zu befördern, konnte er selbst uneigennützig sein. Ob 
diesem Wunsche eine aufrichtige Frömmigkeit, oder Herrschsucht allein 
zum Grunde lag, darüber ist man sehr verschiedener Meinung. Ei¬ 
nige Historiker nennen Philipp geradezu einen Heuchler, andere er¬ 
heben seine Frömmigkeit bis den Himmel. Es ist schwierig, hier¬ 
über richtig zu entscheiden, jedoch kann man annehmen, daß beide 
Behauptungen nicht ganz wahr sind. Der Glaube Philipps an die 
Lehren der katholischen Kirche war gewiß eben so wenig geheuchelt, 
wie sein Haß gegen die Ketzer und die Aeußerung in seinen Briefen 
an die Statthalterin der Niederlande und den Staatsrath, ,,daß er 
lieber alle seine Königreiche verlieren, ja eher sterben, als im katho¬ 
lischen Glauben, oder in der Kirchenzucht auch nur die geringste 
Veränderung dulden wolle," kam gewiß aus seinem Herzen. Der 
Umstand, daß er durch die Beschütznng der katholischen Kirche zu¬ 
gleich seine Herrschaft zu befestigen glaubte, mag viel dazu beigetra¬ 
gen haben, seinen Eifer zu vermehren; aber deshalb kann man ihn 
in dieser Beziehung noch immer keinen Heuchler nennen. Zu den 
harten Maßregeln gegen die Ketzer und zu dem Eifer, mit welchem 
er die Ausrottung derselben betrieb, veranlaßte ihn vielleicht auch
	        
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