Mucius Scävola.
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konnte. Auck die einzelnen Bürger bewiesen sich dankbar, indem
jeder von den wenigen Nahrungsmitteln, die er besaß, sich lelbst
etwas abbrach, um dem heldenmüthigen Horatius ein Geschenk
damit zu machen.
Mucius Scävola.
(508 v. Chr.)
Die Heldenthat des wackern Horatius hatte zwar die Stadt
für den Augenblick gerettet, aber noch lange nicht alle Gefahr
von ihr entfernt. Eingeschlossen von einem weit überlegenen Feinde
und beinahe von aller Zufuhr abgeschnitten, sahen die Römer die
Zeit immer naher rücken, wo sie durch Hunger gezwungen seyn
würden, sich zu unterwerfen. Da entschloß sich Mucius, ein edler
Jüngling, zu einer kühnen That. Es schmerzte ihn, daß das
freie Rom, welches unter den Königen nie von einem Feinde be¬
lagert worden war, jetzt von den Hetruriern, die es früher oft
aus dem Felde geschlagen hatte, eingeschlossen wurde. Diese
Schmach wollte er rächen. Mit Erlaubniß des Senats ging er,
einen Dolch unter dem hetrurischen Gewände, ins feindliche Lager,
den Porsenna zu ermorden. Er gelangte bis ins königliche Zelt,
wo eben Sold ausgetheilt wurde. Neben dem Könige saß fast in
gleichem Anzuge sein Schreiber, und zu diesem dräugten sich die
Soldaten ganz besonders. Mucius kannte den Porsenna nicht,
durch Fragen durste er sich nicht verrathen; er stürzte auf den
Schreiber los und durchbohrte ibn. Mit dem bluttriefenden Dolcke
in der Hand suchte er sich jetzt durch den erschrockenen Haufen
einen Weg zu bahnen, ward aber von den königlichen Wachen
ergriffen und vor Porsenna geführt. Auf die Frage, wer er sey,
antwortete er mit einem Blicke, der mehr Furcht einzuflößen als
zu verrathen schien: „Ich bin ein römischer Bürger und heiße
Mucius. Als Feind habe ich den Feind ermorden wollen und
scheue den Tod nicht. Mannhaft handeln und mannhaft dulden
ist römisch. Auch bin ich nicht der einzige, der einen solchen Bor-
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