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Peter d. Gr. von Rußland.
wurde Rußland von den Mongolen, einem asiatischen Volksstamme,
unterjocht. Ende des 15. Jahrhunderts warfen die Russen dies
Joch ab und erweiterten nun die Grenzen ihres Reichs immer
mehr. Für Hebung der Russen aus ihrer Unwissenheit und
Barbarei hat zu Anfange des 18. Jahrhunderts am meisten ge¬
wirkt ihr Kaiser
Peter d. Gr. — Als der russische Czar Alexi starb, hinter¬
ließ er drei Söhne und eine Tochter. Feodor, der älteste Sohn,
starb 1682, nachdem er seinen jüngsten Halbbruder Peter, mit
Umgehung seines schwachsinnigen Bruders Iwan, zu seinem
Nachfolger ernannt hatte. Das verdroß Peters herrschsüchtige
Halbschwester Sophie, und so wiegelte sie die Strelitzen, die
Leibwache des Czaren, zu einer Empörung wider Peters Mutter,
Natalia, die für ihn die Regierung führte, auf, indem sie vor¬
gab, Iwan sei auf ihre Veranlassung ermordet worden. Dieser
Vorwand erwies sich jedoch bald als ein nichtiger; denn Iwan
war nicht nur am Leben, sondern er erklärte sogar öffentlich, im
Verein mit seinem lieben Bruder Peter regieren zu wollen. Zwei
Jahre darauf entstand wieder eine Empörung wider Peter. In
Folge derselben floh seine Mutter mit ihm nach einem in der
Nähe Moskau's gelegenen Kloster, woselbst sie am Altare schützend
ihre Arme um ihn schloß. Schon war einer der herzudringenden
Verschwornen im Begriff, seinen Dolch in's Herz der Verfolgten
zu stoßen, als ein anderer mit den Worten herzusprang: „Laß
ab, Bruder! nicht am Altar; er wird uns ja doch nicht ent¬
rinnen." In dem Augenblicke erschienen Reiter, welche die Ge¬
flüchteten retteten. Den Verschwornen wurde Verzeihung ver¬
sprochen, wenn sie die Anstifter der Empörung auslieferten. Dies
geschah nicht nur, sondern sämmtliche Verschworenen erschienen
vor dem Palast Nataliens mit Stricken um den Hals und mit
Blöcken und Beilen, bekannten laut ihre Schuld und legten als
reuige Missethäter ihre Köpfe auf die Blöcke. Dreißig der Haupt¬
schuldigen wurden hingerichtet, die übrigen begnadigt. Nach dieser
Zeit führte Natalie das Scepter noch sieben Jahre. — Während
dieser Zeit wuchs Peter zum kräftigen Jünglinge heran und suchte
in jeder Beziehung seinen Wissensdurst zu befriedigen. Sein
vertrautester Freund war ein Kaufmannssohn aus Gent, Namens
Le Fort. Dieser erzählte ihm viel von den Sitten und Ge¬
bräuchen anderer Länder, wie auch von der Art, wie dort die
Soldaten einexercirt würden. Bei all' dem schwoll Peters Herz
hoch auf, und das Erste, was er ausführte, war, daß er sogleich