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5. Und ihr trocknes Auge flammet,
Und sie ziehen an wie Sammet
Grün und weiß ein Festgewand;
Strecken in die blaue, warme
Luft zum Danke ihre Arme,
Wie man faltet Hand in Hand.
6. Was sie beten, höret keines,
Was sie reden, auch nicht eines,
Doch ein Geist von oben lauscht;
Und mit unsichtbaren Händen
Will er ihnen mehr noch senden,
Eh' der Herbst im Laube rauscht.
7. Ostern ist ein Fest der Freuden!
Von dem hellen Glockenläuten
Wachen alle Schläfer aus,
Alle Büsche, alle Bäume,
Alle Blumen, alle Keime,
Wachen alle Käfer aus.
Friedrich Gull.
110. Bmt aus die Flügel beide.
Am 14. September 1796 kamen schwere Schreckensstunden
über das hessische Städtchen Lisberg, das auf einer der wal¬
digen Höhen des Yogelsberges liegt. Nachts zwischen 9 und
10 Uhr rückten nämlich von der vor Erzherzog Karl auf der
Flucht begriffenen französischen Armee 500 Mann Fußvolk rache¬
schnaubend in das Städtlein ein, erschossen den alten ehrwürdigen
Pfarrer des Ortes, Jakob Koch, der um Gnade bittend ihnen ent¬
gegen gegangen war, und zündeten dann, nachdem sie mehrere
Stunden lang gemordet, zerstört und geplündert hatten, die Stadt
an allen Ecken an, daß allein 58 Wohngebäude bis auf den
Grund abbrannten. Draußen aber vor dem Städtchen stand etwas
abseits am Abhang des Berges ein Häuschen, und in dem saß
eine Mutter am Krankenbette ihres Kindes. Aus Furcht, das
Leben ihres Lieblings zu gefährden, wollte sie an dem rauhen
Septembertage mit demselben nicht in den Wald flüchten, wie
die meisten Einwohner thaten. Als nun aber das Schießen und
Morden im Orte begann und der Rauch von den brennenden
Häusern vom Berge herab über das Thal herunterzog, da ward
es dem armen, verlassenen Weibe zum Sterben angst; sie ver-