Full text: Die deutsche Geschichte

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ohne Ursache seines Landes beraubt hatte, und nun gebieterisch forderte, 
daß Rußland die Einführung des Zuckers und Kaffes, die er selbst in 
seinem Gebiete gegen gut bezahlte Erlaubnißscheine gestattete, verbieten 
sollte, veranlaßte Verstimmung. Russische Truppen stellten sich an der 
polnischen Grenze auf, und alsbald ließ Napoleon seine Schaaren nach 
der Weichsel marschiren, zwang Preußen ihm die Hälfte seiner Armee 
und den größten Theil seines Gebiets nebst fast allen Festungen zur 
Verfügung zu stellen, schloß ein Bündniß mit Oesterreich, und als 
Alexander vor allen Dingen die Räumung des preußischen Staats ver¬ 
langte, nahm er dies für eine Kriegserklärung. Eine treffliche Armee, wie 
die Welt noch keine gesehen, 500,000 zu Fuß, 100,000 Reiter, 21,000 
Artilleristen mit 1300 Kanonen und einem unermeßlichen Troß, Fran¬ 
zosen und Deutsche, Italiener, Niederländer, Polen, wogten im Früh¬ 
ling 1812 nach Osten hin, an ihrer Spitze der sieghafteste Kriegs¬ 
fürst mit seinen ruhmgekrönten Feldherren, welcher verkündete, Rußlands 
Verhängnis; müsse erfüllt werden. Im Juni ging's über den Niemen. 
Er mit der Hauptarmee wollte gradesweges nach Moskau, während 
eine Armee, wobei 30,000 Oesterreicher unter dem Fürsten von Schwar¬ 
zenberg, Südrußland erobern und eine andere unter dem Marschall 
Macdonald, wobei 20,000 Preußen unter dem General von Port, 
gegen Petersburg vordringen sollte. Rußland schloß schnell mit der 
Türkei und England Frieden, überlieferte diesem als Unterpfand seine 
Flotten, befreundete sich mit Schweden, ungeachtet dessen Kronprinz, der 
ehemalige französische Marschall Bernadotte, des Königs Joseph von 
Spanien Schwager war, rief sein Volk zum Kampfe für Religion und 
Vaterland auf, und suchte entscheidenden Schlachten auszuweichen, bis 
seine Heere sich gesammelt hätten. Der russische Oberfeldherr Barclay 
de Tolly hielt erst bei Smolensk Stand, das er nach fürchterlichem 
Kampfe dem Feinde überlassen mußte; dann veranlaßte ihn der Unwille 
des russischen Volkes über seinen streng durchgeführten Rückzugsplan, das 
Kommando dem General Kutusow, einem Waffenbruder Suwarows, 
zu übergeben. Schon nahte sich der Feind der heiligen Moskau; es 
wäre ein Frevel gewesen, für ihre Vertheidigung nicht Alles zu wagen. 
Bei Borodino, nur 27 Stunden von der alten Zarenstadt, an dem 
Flüßchen Moskwa, am 7. Sept., rang der Russen Fanatismus mit 
der französischen Verzweiflung, bis 50,000 Todte und Verwundete die 
Wahlstatt bedeckten. Kutusow zog sich in bester Ordnung zurück, aber weder 
nach Moskau noch nach Petersburg, sondern südwärts nach Kaluga. Nach 
7 Tagen war Napoleon in Moskau, an dem, seinen von Mangel und 
Strapatzen ermüdeten Soldaten verheißenen, heiß ersehnten Ziel, und 
hoffte hier ein ruhiges Winterquartier zu finden, und einen Frieden 
diktiren zu können, wie der zu Lüueville, Tilsit oder Schönbrunn. 
§. 167. Vernichtung der großen Armee. 
Aber Gott sprach: „Vis hierher und nicht weiter! Hier sollen sich 
legen deine stolzen Wellen!" Moskau ward das Grab des Glücklichsten 
aller Sterblichen. Napoleon fand die ungeheure Stadt von ihren Be-
	        
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