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Sprache war sie in die Bibel gekommen, die mit dem sinnlichen Menschen
menschlich reden mußte wie mit den Hebräern hebräisch; so wurde aus
einer bloßen Redeweise ein Gottesurteil. Jene erste Vorstellung von der
Bewegung der Erde ward dadurch gewissermaßen geächtet; sie in Schutz zu
nehmen, konnte gefährlich werden. Nun bedenke man: diese von den größten
Weisen des Altertums verworfene, verächtlich und gefährlich scheinende Vor⸗
stellung, die selbst einer der größten Denker der neueren Zeit, der Stifter
wahrer Naturlehre, Baco von Verulam, der die kopernikanische Lehre sogar
kannte, noch verwerflich fand, diese lernt Kopernikus aus flüchtigen Beschrei⸗
bungen kennen; sie erregt seine Aufmerksamkeit, er prüft sie, er verfolgt sie
mit unermüdeter Sorgfalt, nicht ein paar Jahre hindurch sondern durch die
Hälfte seines siebenzigjährigen Lebens, vergleicht sie mit dem Himmel, be⸗
stätigt sie endlich und wird so der Stifter eines Neuen Testaments der Astro⸗
one. Und dieses alles leistete er, was man nie vergessen muß, fast
hundert Jahre vor Erfindung der Ferngläser mit elenden hölzernen Werk—
zeugen, die oft nur mit Tintenstrichen geteilt waren. Wenn dieser kein großer
Mann war, wer in der Welt kann Anspruch auf diesen Namen u i
a ichtenberg.
117. (133.) Herzog Alba zu Rudolstadt im Jahre 1547.
Eine deutsche Frau aus einem Hause, das schon ehedem durch Helden—
mut geglänzt und dem deutschen Reich einen Kaiser gegeben hat, war es,
die den fürchterlichen Herzog von Alba durch ihr entschlossenes Betragen
beinahe zum Zittern gebracht hätte. Als Kaiser Karl Vnim Jahre 1547
nach der Schlacht bei Muhlberg auf seinem Zuge nach Franken und Schwaben
auch durch Thüringen kam, wirkte die verwitwete Gräfin Katharina von
Schwarzburg, eine geborene Fürstin von Henneberg, einen Schutzbrief bei
ihm aus, daß ihre Unterthanen von dem durchziehenden spanischen Heere
nichts zu leiden haben sollten. Dagegen verband sie sich, Brot, Bier und
andere Lebensmittel gegen billige Bezahlung aus Rudolstadt an die Saal⸗
brücke schaffen zu lassen, um die spanischen Truppen, die dort übersetzen
würden, zu versorgen. Doch gebrauchte sie dabei die Vorsicht, die Brücke,
die dicht bei der Stadt war, in der Geschwindigkeit abbrechen und in einer
größeren Entfernung über das Wasser schlagen zu lassen, damit die allzu
große Nähe der Stadt ihre raublustigen Gaͤste nicht in Versuchung führte.
Zugleich wurde den Einwohnern aller Ortschaften, durch die der Zug ging,
dergönnt, ihre besten Habseligkeiten auf das Rudolstädter Schloß zu flüchten.
Mittlerweile näherte sich der spanische General von Herzog Heinrich
von Braunschweig und dessen Sbhnen begleitet der Stadt und bat sich durch
inen Boten, den er voranschickte, bei der Gräfin von Schwarzburg auf ein
Morgenbrot zu Gaste. Eine so bescheidene Bitte, an der Spitze eines
Kriegsheeres gethan, konnte nicht wohl abgeschlagen werden. Man würde
geben, was das Haus vermöchte, war die Antwort; seine Excellenz möchten
inmen und vorlieb nehmen. Zugleich unterließ man nicht, des Schutz—
briefes noch einmal zu gedenken und dem spanischen General dessen gewissen⸗
hafte Beobachtung ans Herz zu legen.