Full text: Geschichte der neueren Zeit (Theil 3)

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Zweite Periode der neueren Geschichte. 
Schwedens 
Macht an der 
Ostsee 
bringt ihm 
Feinde. 
Karl XII. bc- 
siegt die 
Dänen und 
die Russen 
unter Peter 
dem Großen 
bei Narwa 
1700 
lernung der alten und neuen Sprachen. Da er sehr ehrgeizig war, so 
spornten ihn seine Erzieher zu großer Thätigkeit an. Mathematik war 
sein Lieblingsstudium. In allen ritterlichen Uebungen war er wohl- 
erfahren, gewandt und unerschrocken. Seine Tollkühnheit und sein 
Starrsinn haben ihn in manche verwickelte Lage gebracht. Er war 
dabei sehr verschlossen, suchte wenig Umgang und mied jugendliche 
Zerstreuungen und Vergnügungen. 
Bei seinem Regierungsantritte dehnte sich Schwedens Macht über 
Bremen, Wismar, Stralsund, Stettin, Riga und Reval, über Inger- 
mannland, Liefland, Esthland und einen Theil von Finnland aus. 
Die Stätte, aus welcher zu Anfang des 18. Jahrhunderts St. Peters¬ 
burg erbaut wurde, war damals noch eine sumpfige Niederung auf 
schwedischem Boden. Die ausgedehnte Herrschaft der Schweden au 
den Küsten der Ostsee war den Bewohnern des Binnenlandes höchst 
unangenehm, und bei Karls XI. Tode glaubten Dänemark, Polen und 
Rußland den günstigen Augenblick benutzen zu müssen, um auf Kosten 
des schwedischen sechzehnjährigen Knaben, dessen Fähigkeiten gar sehr 
unterschätzt wurden, die eigene Herrschaft zu erweitern. Dänemark 
wollte Holstein und Schleswig wieder erobern, Polen für sich Liefland 
gewinnen und Rußland die Ostseeprovinzen am finnischen Golf sich 
sichern. Als Karl XII. die Nachricht von den Rüstungen der Ver¬ 
bündeten erhielt, war sein Entschluß gefaßt. Der schwedische Reichs¬ 
rath war bestürzt und sprach von Unterhandlungen und Nachgiebigkeit; 
aber mit einer bewundernswürdigen Entschiedenheit drang der König 
auf eine Kriegserklärung. Er setzte sogleich nach der Insel Seeland 
über, landete im dichtesten Kugelregen und trieb die Dänen nach 
Kopenhagen. Der dänische König mußte sich zum Frieden von Traveu- 
dahl (1700) bequemen und sich verbindlich machen, dem Bunde gegen 
Schweden zu entsagen. So edel Karl sich gegen die Besiegten benahm, 
so uneigennützig schaltete er in Feindesland. Er hielt strenge Mannes¬ 
zucht und bezahlte Alles, was er zum Unterhalte seiner Truppen be¬ 
durfte. Im Lager übte er die fromme Sitte, Morgends und Abends 
seine Soldaten zum Gebete und Gottesdienst anzuhalten, dem er selbst 
mit großer Andacht beiwohnte. 
Inzwischen hatte August II., König von Polen und Kurfürst von 
Sachsen, welchem ein von Karl XII. beleidigter liefländischer Edelmann, 
Reinhold von Patkul, hülfreich die Hand bot, einen Einfall in Liefland 
gemacht und Riga vergeblich belagert. Sobald Karl von seinem Feld¬ 
zuge aus Seeland heimgekehrt war, wollte er unverzüglich zum Entsätze 
von Riga schreiten, da ereilte ihn die Nachricht, Peter der Große sei
	        
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