Full text: Vaterländische Geschichte

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als bei ihren Eltern, so war auch der Sohn Friedrichs I., 
Friedrich Wilhelm I., in seiner Denkungsart das 
gerade Gegentheil seines Vaters. Er betrachtete den Glanz 
als unnütz und war ein Todfeind alles äußeren Geprän¬ 
ges. Schon früh zeigte sich bei ihm dieser einfache Sinn. 
Er war ungefähr 10 bis 11 Jahre alt, als ihm einst ein 
Kammerdiener einen prächtigen seidenen Schlafrock zum 
Anziehen darbot. Der junge Kronprinz betrachtete das 
Kleidungsstück von allen Seiten und warf es endlich zor¬ 
nig in's Feuer. Dasselbe Schicksal erfuhr eine große 
Perücke, die er bei einem Hoffeste hatte tragen müssen, 
und welche ihm sehr beschwerlich geworden war. Kaum 
batte er, 26 Jahre alt, den Thron bestiegen, so erhielten 
9O Kammerherren seines Vaters und eine große Menge 
anderer Hofbeamten ihren Abschied. Die aufgehäuften 
Kostbarkeiten und Juwelen, die vielen Pferde und Karos¬ 
sen wurden verkauft und die goldenen und silbernen Ge¬ 
schirre in die Münze geschickt. Mit dem gelösten und 
geprägten Gelde wurden dann die Landesschulden bezahlt. 
Alles wurde schlicht und einfach eingerichtet. Der König 
aß mit seiner Familie nur Hausmannskost. Er kleidete 
sich sehr einfach, und die Königin und die königlichen 
Prinzen erschienen in eben so einfacher Kleidung. Aus 
dem ganzen Staate ließ er sich Listen von allen Be¬ 
amten einreichen und schrieb an den Rand ganz lakonisch 
entweder: „Gut, bleibt!" — oder auch: „Ist überflüssig, 
kann sich davon scheeren!" Kein Befehl wurde ausgefer¬ 
tigt, den der König nicht selbst erst in Händen gehabt 
hätte. So musterhaft war seine Thätigkeit. Eitelkeit, 
Müßiggang und Verschwendung konnte er nicht leiden, so 
daß es ihm schon unerträglich war, wenn Damen Vor¬ 
mittags am Exerzierplatz spazieren gingen. „Ordnung 
hilft haushalten!" war sein Sprichwort, und darnach ver¬ 
langte er von Allen die pünktlichste Ordnung. Wider¬ 
spruch erduldete er nicht, und nicht selten gebrauchte er, 
um seinem Unwillen Luft zu machen, den Stock. Künste 
und Wissenschaften liebte er nicht, aber für den Unterricht 
der Kinder sorgte er gut; während seiner Regierung wur¬ 
den 1800 neue Landschulen gegründet und viele schon
	        
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