fullscreen: Das Mittelalter (Bd. 2)

Freytag: Karls des Großen Hofhaltung. 73 
Baukunst lernen, er ließ römische Säulen und Ornamente aus Italien 
nach Deutschland fahren, Kapitale und Zieraten nach den Bauten von 
Rom und Ravenna abformen. So baute er zahlreiche Kirchen und Klöster, 
sich selbst einen Palast zu Ingelheim im Frankenlande, und so gründete 
er sich eine Residenz an den warmen Quellen von Aachen. Seine Ar¬ 
beiter bauten das große Gotteshaus und den Palast, sie hieben rohes Ge¬ 
stein zu Säulen, errichteten Hallen und deckten sie mit hohem Balkendach. 
Andere singen das Wasser der warmen Quelle ein, faßten sie schön mit 
Marmor, formten die Sitze für die Badenden und leiteten Wasser in 
alle Teile der Stadt; die Lastwagen rollten, Hammerschlag und emsige 
Arbeit tönte, die Gegend summte wie von ungeheurem Bienenschwarm. 
Auf dem Platze des Palastes aber stellte Karl das eherne Reiterbild des 
großen Ostgoten Theoderich auf, das er von Ravenna weggeführt hatte. 
Seit Einrichtung der Hoffchule begann während stürmischen Kriegsjahren 
im Frankenreich ein neues Leben, dessen Mittelpunkt der Kaiser mit seinem 
Hose war. Wir wollen dabei verweilen und neue Momente hervorheben. 
Die Jahre 796 bis 800 umspannen die Zeit, wo am Hose unb im Leben 
des Königs das Nene am schönsten sich darstellte. Karl war 50 Jahre 
alt, in voller Mannskraft, die Selbständigkeit der Sachsen war gebrochen, 
die Slaven besiegt, Bayern mit Salzburg unb Kärnten bem Reiche ein¬ 
verleibt; gerabe jetzt war burch einen glücklichen Felbzng bes Grafen 
Erich unb bes jungen Pippin ber große Ringwall bes Avarenreiches 
eingenommen, unb ein unermeßlicher Schatz, alter Raub ber Völkerwan- 
berung unb vieljährige Kriegsbeute der Avaren, in die Hände der Franken 
gefallen. Seine Kinder wuchsen stattlich heran, die drei Söhne waren wieber 
einmal unter ben Augen bes Vaters versammelt. Der älteste, Karl, hatte 
sich in ben sächsischen Kriegen als kampftüchtig bewährt; Pippin, König 
von Italien, war gerabe jetzt als neunzehnjähriger Jüngling mit bem 
Avarengolbe unb grünem Siegeskranze in ber Pfalz von Aachen einge¬ 
zogen; Ludwig, der 781 als dreijähriger Knabe auf ein Pferd gefetzt 
unb ben Aquitanen als König über bie Grenzen geschickt worben, war 
schon vier Jqhre bqrquf luftig mit einer Schar feiner Gespielen in bem 
sächsischen Lager bes Vaters eingeritten, in Baskentracht mit rnnbem 
Mäntelchen, mit Bauschärmeln unb Hosen, mit Sporenftiefeln, in ber 
Hanb feinen Wurfspeer fchwenkenb, unb ber Vater hatte sich feines frischen 
Knaben gefreut unb arbeitete feitbem, ihn in ber Fremde, in spanischen 
Kriegszügen unb zu Haufe etwas Tüchtiges lernen zu lassen. Auch auf 
ben blühenben Töchtern ruhte freubig bes Vaters Blick; bie unmilde 
Königin Fasirada war gestorben, und der Stern der schönen Luitgard 
war im Auf gehn; die Hofschule Alkuins hatte ihre Wirkung gethan, aus 
feinen Geistlichen und den Edlen des Hofes war ein Kreis von jungen 
Gelehrten herausgewachsen; das Gefühl irdischer Macht unb bie Freude
	        
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