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Der dritte, ein Richter des Volks, sagte: »Nie nahm ich
Geschenke; nie bestand ich starr auf meinen Sinn; im Schwersten
suchte ich mich jederzeit zuerst zu überwinden; darum hat mich
Gott mit meinem Alter gesegnet.«
Da traten ihre Söhne und Enkel 31t ihnen heran, küßten ihre
Hände und kränzten sie mit Blumen. Und die Väter segneten sie
und sprachen: »Wie eure Jugend sei auch euer Alter! Eure Kin¬
der seien euch, was ihr uns seid, auf unserem greisen Haare
eine blühende Roscnkrone.«
Das Alter ist eine schöne Krone; man findet sic nur aus dem
Wege der Mäßigkeit, der Gerechtigkeit und Weisheit.
(Herder.)
IV. Die Bäume.
Theobald und Julius, zwei fromme Jünglinge, waren mit
einander aufgewachsen von früher Kindheit an. Die ganze, fröh¬
liche Knabenzeit war ihnen zusammen vcrschwebt, und alle harm¬
losen Spiele der Jugend hatten sic gemeinschaftlich getrieben; und
es war kein Ort der süßen, heimathlichen Gegend, wo nicht ihre
jugendlichen Seelen in einander geflossen waren im holden Wechsel¬
bund inniger Freundschaft und Liebe. Die Jahre gingen dahin;
aus den Knaben wurden Jünglinge. Da erweiterte sich ihre Brust;
bedeutungsvoller ward jedes Wort, das sie sprachen, reicher und
blühender ihre Phantasie, süßer und ahnungsvoller ihre Träume.
Und mit der wachsenden Kraft ihres inneren Lebens erstarkte auch
in hoher Fülle der feste Bund ihrer Freundschaft, also, daß sic
nie mit seligeren Gefühlen einander umschlangen.
Da nahete sich ihnen des Lebens ernster und schwüler Tag;
Theobalds Vater rüstete sich, mit all' den Seinigen das Land
der Heimath zu verlassen und über das Meer zu segeln. Und
als die Jünglinge das Wort vernahmen, das ihnen Trennung ge¬
bot, da hielten sie sich umfaßt in schmerzlicher Rührung und wein¬
ten einer an des anderen Brust. Am Abend vor dem bangen Ab¬
schiedstage gingen sie zusammen in ein Gebüsch, nahe bei Theo-