Full text: Für Schüler von 13 bis 16 Jahren (Theil 3)

2ÑS 
li Vili. Johann Georg Jacobi an seine« 
Bruder F. H. Jacobi ,'iber Pfcffel. 
An wen soll ich in meiner Trauer nm Pfeffel mich eher wen- 
den, als an Dich, mein Lieber, mit dem ich seit den Kinderjahren 
so manche,» gemeinschaftlichen Verlust beweinte, und der in meinem 
eignen Leiden mir oft so tröstend die Hand bot? Du sahest ihn 
nie, den brüderlichen Freund unsers verewigten Schlosser und den 
meinigen; aber Du liebtest ihn, wie er Dich, redetest mit eben der 
Empfindung von ihm, mit welcher er über jeden kleinen, Dich betref¬ 
fenden Umstand mich befragte, und seine ehrenvolle Aufnahme in die 
Akademie der Wissenschaften, deren Vorsteher Du bist, war ihm al« 
Erfüllung eines zuerst von Dir ausgesprochenen Wunsches' dop¬ 
pelt theuer. Wer also weiß besser als Du, was ich verlor. Ach? 
und seitdem Schlosser diese Gegend verließ, war er von meinen 
ältern Freunden der einzige, der in meiner Nähe lebte. In weni¬ 
gen Stunden konnten wir am diesseitigen Rheinufer zusammen- 
tressen, wo wir einander wechselsweisc nach Freiburg oder nach 
Kolmar abholten. Welch ein Anblick dann, wenn vor dem Gast¬ 
hofe der Wagen des früher angekommenen Freundes schon da stand, 
und die Deichsel, zu der meinigen hingekehrt, mich die ganze Se¬ 
ligkeit eines solchen freundlichen Bcgegnens auf dem Wege durchs 
Leben fühlen Ueß. Und nun, wenn ich seinen Brudergruß hörte, 
in seinen Armen war? Richt minder beglückten auch die Tage un¬ 
sers Beisammenseins, die Morgenstunden, in denen Pfessel, mit 
einer Bescheidenheit, welche zwar gern mit großen Talenten sich 
vereinbart, aber doch in dem Grade selten ist, mir seine neuesten 
Gedichte mittheilte, meine Bemerkungen darüber und Vorschläge 
zu Besserungen forderte; die heiteren Mittagsmahle, stets ergiebig 
an ernsten und launigen Erzählungen, und die Abende, welchen 
ein vertrautes Gespräch zwischen uns beiden eine Art von Weihe 
gab, oder die in einem auserlesenen Zirkel unter dem gewinn¬ 
reichsten Ideentausche nur zu schnell vorüber eilten. Jede Minute 
wurde benutzt, bis auf die letzte, da wir bei dem Lebewohl zugleich 
einen künftigen Besuch verabredeten. So schieden wir voll Hoff¬ 
nung von einander, und es blieb uns ein herrlicher Nachgenuß. 
Alles ist nun für mich dahin. Jedoch nicht auf lange; denn 
in meinem Alter hat man ja von dem Grabe des entschlafenen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.