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li Vili. Johann Georg Jacobi an seine«
Bruder F. H. Jacobi ,'iber Pfcffel.
An wen soll ich in meiner Trauer nm Pfeffel mich eher wen-
den, als an Dich, mein Lieber, mit dem ich seit den Kinderjahren
so manche,» gemeinschaftlichen Verlust beweinte, und der in meinem
eignen Leiden mir oft so tröstend die Hand bot? Du sahest ihn
nie, den brüderlichen Freund unsers verewigten Schlosser und den
meinigen; aber Du liebtest ihn, wie er Dich, redetest mit eben der
Empfindung von ihm, mit welcher er über jeden kleinen, Dich betref¬
fenden Umstand mich befragte, und seine ehrenvolle Aufnahme in die
Akademie der Wissenschaften, deren Vorsteher Du bist, war ihm al«
Erfüllung eines zuerst von Dir ausgesprochenen Wunsches' dop¬
pelt theuer. Wer also weiß besser als Du, was ich verlor. Ach?
und seitdem Schlosser diese Gegend verließ, war er von meinen
ältern Freunden der einzige, der in meiner Nähe lebte. In weni¬
gen Stunden konnten wir am diesseitigen Rheinufer zusammen-
tressen, wo wir einander wechselsweisc nach Freiburg oder nach
Kolmar abholten. Welch ein Anblick dann, wenn vor dem Gast¬
hofe der Wagen des früher angekommenen Freundes schon da stand,
und die Deichsel, zu der meinigen hingekehrt, mich die ganze Se¬
ligkeit eines solchen freundlichen Bcgegnens auf dem Wege durchs
Leben fühlen Ueß. Und nun, wenn ich seinen Brudergruß hörte,
in seinen Armen war? Richt minder beglückten auch die Tage un¬
sers Beisammenseins, die Morgenstunden, in denen Pfessel, mit
einer Bescheidenheit, welche zwar gern mit großen Talenten sich
vereinbart, aber doch in dem Grade selten ist, mir seine neuesten
Gedichte mittheilte, meine Bemerkungen darüber und Vorschläge
zu Besserungen forderte; die heiteren Mittagsmahle, stets ergiebig
an ernsten und launigen Erzählungen, und die Abende, welchen
ein vertrautes Gespräch zwischen uns beiden eine Art von Weihe
gab, oder die in einem auserlesenen Zirkel unter dem gewinn¬
reichsten Ideentausche nur zu schnell vorüber eilten. Jede Minute
wurde benutzt, bis auf die letzte, da wir bei dem Lebewohl zugleich
einen künftigen Besuch verabredeten. So schieden wir voll Hoff¬
nung von einander, und es blieb uns ein herrlicher Nachgenuß.
Alles ist nun für mich dahin. Jedoch nicht auf lange; denn
in meinem Alter hat man ja von dem Grabe des entschlafenen