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Die Grotte von Caripe behält in der genau gemessmcn Ent¬
fernung von 472 Metres oder 1458 Fuß vom Eingänge, noch
ihre ursprüngliche Richtung, die nämliche Weite und die gleiche
Hohe von 60 — 70 Fuß. Mir ist auf beiden Festlanden keine
Berghöhle von fo einförmiger und regelmäßiger Bildung bekannt.
Wir hatten Mühe, die Indianer zu vermögen, über den Vordcr-
theil der Grotte, welchen sie alljährlich zur Linsammlung des Fet¬
tes besuchen, tiefer einzugehen, und es bedurfte des Gewichts und
Ansehens der los Padnes, um sie zu der Stelle hinzubringen,
wo der Boden plötzlich unter einem Winkel von 60° in die Höhe
steigt, und wo der Waldstrom einen kleinen unterirdischen Wasser¬
fall bildet. Die Eingeborncn verbinden mystische Vorstellungen
mit dem von Nachtvögeln bewohnten Raume. Sie glauben, die
Geister ihrer Vorfahren halten sich im Hintertheil der Grotte auf.
Der Mensch, sagen sic, soll eine heilige Scheu vor Orten tragen,
welche weder die Sonne, Zis, noch der Mond, Nana, bescheint,
gu den Guacharo's gehen, bedeutet, zu seinen Vätern gehen, oder
sterben. Auch nchmm die Zauberer, Piaclles, und die Giftmischer,
Imorons, ihre nächtlichen Gauklerkünste am Eingänge der Grotte
vor, um den Häuptling der bösen Geister, IvoroKiamo, zu be¬
schwören. So gleichen sich einander unter allen Himmelsstrichen
die frühesten Dichtungen der Völker, vorzüglich jene, welche die
zwei weltregierendcn Grundsätze, das Leben der Seelen nach dem
Tode, das Glück der Gerechten und die Bestrafung der Sünder,
betreffen. Die verschiedensten und die rohesten Sprachen enthalten
eine Anzahl Bilder, welche sich einander überall ähnlich sind, weil
ihre Quelle in unserem Verstände und in unseren Empsindungcn
liegt. Die Finsterniß gesellt sich allenthalben der Vorstellung
vom Tode bei. Die Grotte von Caripe ist der Griechen Un¬
terwelt (Tartan) und die über dem unterirdischen Fluß schwe¬
benden, Klagetöne ausstoßenden Guacharo's erinnern an die stygi--
schm Vögel.
An der Stelle, wo der Fluß den unterirdischm Wasserfall bil¬
det, stellt sich die der Grottenöffnung gegenüberliegende, reich
bewachsene Landschaft auf eine sehr malerische Weise dar. Man
erblickt sie am Ausgange eines geradlinigten, 240 Toisen langen
Canals. Die vom Gewölbe herabhängenden und in der Luft schwe¬
benden, Säulen gleichenden Stalactiten stellm sich auf der grünen
Fläche wundersam dar. Die Öffnung der Grotte erscheint um