40
und Comptoirstuben, die Werkstätten der Künstler und Handwerker, Edel¬
höfe, Pacht- und Bauerhöfe wurden leer von jungen Männern, welche
ein Herz voll Muth und einen kräftigen Arm hatten. Ein Theodore
Körner, der als Dichter in den angenehmsten Verhältnissen zu Wien
lebte und Bräutigam einer der liebenswürdigsten Jungfrauen war, säumte
keinen Augenblick, die Leyer mit dem Schwerte zu vertauschen. ^Deutsch¬
land steht auf," schrieb er seinem Vater, „der preußische Adler erweckt
im allen treuen Herzen durch seine Flügelschläge die großen Hoffnungen
einer deutschen Freiheit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande.
Laß mich ihr würdiger Jünger sein! — Eine große Zeit will große
Herzen, ich fühle die Kraft in mir, eine Klippe sein zu können in dieser
Völkerbrandung: — ich muß hinaus und dem Wogensturm die muthige
Brust entgegeudrücken Soll ich in feiger Begeisterung meinen siegenden.
Brüdern meinen Jubel nachleiern? Ich weiß, du wirst manche Unruhe
erleiden müssen; die Mutter wird weinen. Gott tröste sie! Ich kann's
euch nicht ersparen. Daß ich mein Leben wage, das gilt nicht viel,
daß aber dies Leben mit allen Blüthenkränzen der Liebe, der Freund¬
schaft und der Freude geschmückt ist, und daß ich es doch wage, daß
ich die süße Empfindung hinwerfe, die mir in der Ueberzeugung lebt,
euch keine Unruhe, keine Angst zu bereiten, das ist ein Opfer, dem
nur ein solcher Preis entgegengestellt werden darf." —
So unwiderstehlich war der Strom, der Alles mit sich fortriß,
daß selbst beherzte Frauen und Jungfrauen nicht abzuhalten waren, unter
dem Jägermantel das zarte Geschlecht zu verbergen und mit der Büchse,
ja mit dem Säbel in der Hand, selbst zu Rosse, sich den zum Schwerter¬
tänze ziehenden Schaaren kampflustig anzuschließen. Wer hat nicht ge¬
hört von jener Marie Werder, welche, kinderlos, schon 1806 mit ihrem
Gatten ihr kleines Erbgut unweit Sagan in Schlesien verlassen hatte,
um sich der Freischaar des Fürsten von Pleß anzuschließen, und 1813
dem Ausrufe des geliebten Königs wohlbcritten zum zweiten schlesischen
Husaren-Regimente folgte, bei welchem sie bald zum Wachtmeisterrange
aufstieg, den Gatten selbst, für dessen Bruder sie galt, in der Schlacht
bei Leipzig zur Ausdauer im Kampfe ermunterte, und von welchem sie
erst, nachdem ihr das Pferd unter dem Leibe erschossen und von ihr
eine leichte Feldbatterie genommen (er aber — gefallen, doch dem Vater¬
lande Triumph und Freiheit gesichert war), zu scheiden sich bewogen
fühlte? — Wem ist jene Marie Prochaska von Potsdam unbekannt
geblieben, welche unter dem Namen August Renz bei den Fußjägern der
Lützow'schen Freischaar eintrat, im blutigen Kampfe bel der Göhrde
gegen Davousts Heerhaufen, schon verwundet, noch den Steimker Hügel
mit erstürmte, hier erst, noch schwerer getroffen, indem sie einem ge¬
fallenen Kameraden aufzuhelfen suchte, zu Bodew sank und zwei Tage
darauf zu Denneberg an der Elbe den Geist aufgab? Auch jene schle¬
sische Jungfrau ist nicht unbekannt geblieben, welche, weil sie Anderes
nicht zu geben batte, sich ihr schönes Haar abschnitt und den Erlös
dafür als Beitrag zur Ausrüstung der Freiwilligen oder zur Pflege der