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5. Schon steh'n die beiden Sänger im hohen Säulensaal, 
Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl, — 
Der König furchtbar prächtig wie blut'g er Nordlichtschein, 
Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein. 
6. Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll, 
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll; 
Dann strömte himmlich helle des Jünglings Stimme vor, 
Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor. 
7. Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger, goldner Zeit, 
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit; 
Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt, 
Sie singen von allem Hohem, was Menschenherz erhebt. 
8. Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott, 
Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott; 
Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust, 
Sie wirft dem Sänger nieder die Rose von ihrer Brust. 
9. „Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?" 
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib, 
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt, 
Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt. 
10. Und wie vom Sturm zerstoben ist all' der Hörer Schwarm. 
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm; 
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß, 
Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß. 
11. Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis, 
Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis, 
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt; 
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt: 
12. „Weh' euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang 
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang, 
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt, 
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt! 
13. Weh' euch, ihr dnft'gen Gärten im holden Maienlicht! 
Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht, 
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt, 
Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt.
	        
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