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Erster Zeitraum.
streitlustige Dr; Eck, Professor der Theologie in Ingolstadt, den
Kollegen Luthers an der Universität Karlstadt zu einer Disputation
heraus, die in Leipzig abgehalten wurde (1519). Weil Luther schon
früher von Eck, angegriffen worden war, nahm er ebenfalls an der
Disputation teil und gab in deren Verlaufe seinem Zweifel an der
Unfehlbarkeit der Kirche und der Konzile Ausdruck. Damit hatte
er den Boden der Kirche verlassen und wurde nun auch mit dem
Banne bedroht, wenn er nicht binnen 60 Tagen widerriefe. Durch
die Zustimmung, die er von vielen Seiten. fand, ermutigt, wagte er
1520. es, die Bannbulle öffentlich zu verbrennen (1520). Nunmehr wurde
= der Bann über ihn wirklich ausgesprochen. :
2. Das Prinzip der Reformation. Der Angelpunkt der Re-
formation ist die Lehre von der Rechtfertigung. Nach Luther ist sie
ausschließlich das Werk der gläubigen Hingabe des Menschen an
Gott und des göttlichen Erbarmens; er verwarf daher die Verdienst-
lichkeit der guten Werke (Fasten, Wallfahrten, Heiligenverehrung
#7s, w.). Rasch bildete er seine Lehre weiter aus und so entstanden
folgende Hauntunterschiede zwischen den Katholiken und Prote-
stanten: a) Hinsichtlich des G/aubens: Nach Luther ist die einzige
(Haubensquelle die Heilige Schrift; nur die Taufe und das Abend-
mnalıl, letzteres unter beiden Gestalten, werden als Sakramente bei-
behalten. b) Hinsichtlich des Gottesdienstes: An die Stelle der
tateinischen Messe trat ein deutscher Gottesdienst mit Gebet, Gesang
und Predigt. c) Hinsichtlich der Kirchenverfassung: Die Lehre vom
Primate des Papstes und der apostolischen Nachfolge der Bischöfe
wurde verworfen, die Geistlichen (Pastoren) erhielten ihre An-
stellung teils vom Staate, teils von der Gemeinde. Der humanistisch
gebildete Theologe Philipp Melanchthon, der wegen seiner Ver-
dienste um das höhere Schulwesen praeceptor Germaniae. hieß,
wurde der eigentliche Dogmatiker der Reformation.
. Die neue Lehre entwickelte Luther besonders in drei Klug-
schriften‘, die durch den Druck allgemein verbreitet wurden und
angeheures Aufsehen hervorriefen. Von der größten Wichtigkeit war
es aber für den Fortgang dieser kirchlichen Bewegung, wie sich
das neue Reichsoberhaupt dazu stellte.
+ Diese Flugschriften waren betitelt: „An den christlichen Adel deutscher
Nation von des christlichen Standes Besserung“, „De captivitate Babylonica
>cclesiae praeludium“, „Von der Freiheit eines Christenmenschen“