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seines Angesichts arbeitete er selbst vor Amboß und Esse. Bis tief in die Nacht
dachte er nach über die beste Einrichtung des Betriebs, über die Vervollkommnung
der Erzeugnisse seiner Fabrik und über die Erweiterung des Absatzgebietes. Er
konnte mit Wahrheit sagen: „Von meinem 14. Jahr an hatte ich die Sorgen eines
Familienvaters, bei Tag die Arbeit, des Nachts das Grübeln. Fünfundzwanzig
Jahre lang habe ich ausgeharrt, bis ich endlich ein leidliches Auskommen errang.
Meine liebste Erinnerung aus der Vergangenheit ist die so lange drohende Gefahr
des Unterganges und ihre Überwindung durch Ausdauer, Entbehrung und Arbeit,
und das ist es, was ich jedem jungen Manne zur Aufmunterung sagen möchte, der
nichts hat, nichts ist und etwas werden will.“
3. Gegen Ende der dreißiger Jahre beschäftigte sich Krupp lange mit der Her—
stellung einer Walze, die bestimmt war, die Anfertigung von Löffeln aus Gold,
Silber und andern Metallen schnell und leicht zu bewirken. Nach vielem Nach—
denken und langer, mühsamer Arbeit hatte er die Walze fertiggestellt; aber als er
sie zuerst für den angegebenen Zweck in Anwendung brachte, zerbrach sie. Alle
Mühe und Arbeit, alle darauf verwendeten Kosten waren vergeblich gewesen. Da
hätte wohl mancher im Verdruß über das Mißlingen die Trümmer in die Ecke
geworfen; nicht so handelte Krupp. Er forschte nach dem Fehler, den er gemacht
hatte, fand ihn nach langem Suchen, fing von neuem wieder an zu arbeiten und
hatte schließlich die Freude, die Walze in vollster Zweckmäßigkeit arbeiten zu
sehen. Diese Löffelwalze war das erste Erzeugnis, das ihm so viel Geld ein⸗
brachte, daß er die alten Schulden zum Teil tilgen und die Fabrik bedeutend
erweitern konnte.
4. Wer selbst nicht viel nachdenkt, nimmt leicht an, daß wichtige Erfindungen
durchweg dem Zufall zu verdanken seien. Er ahnt nicht, wieviel Arbeit und Aus⸗
dauer bei den Versuchen, die zu der Erfindung geführt haben, aufgewendet worden
sind. Wenn die Erfindung fertig vorliegt, dann sieht ja alles so einfach und natürlich
aus, als wenn es gar nicht anders sein könnte. Krupp wartete nicht ab, daß ihm
ohne sein Zutun ein glücklicher Einfall kommen möchte. Er stellte sich Aufgaben,
dachte anhaltend über deren Lösung nach, machte Versuche und änderte und besserte
so lange, bis schließlich herauskam, was er gewollt hatte. Wenn jemand vor sechzig
Jahren die Aufgabe gestellt hätte, es solle ohne Schweißung ein Radreifen aus
einem verhältnismäßig nicht großen Block Gußstahl hergestellt werden, dann
würden wohl die meisten das einfach für unmöglich erklärt haben. Vielleicht
hätten sie hinzugesetzt, das sei auch ganz zwecklos. Krupp hat die Sache lange über⸗
dacht und vielfach versucht; er hat schließlich ein flach geschmiedetes Stück Gußstahl
in der Mitte aufgespalten, die Offnung durch Keile unter dem Hammer erweitert,
auf diese Weise einen Ring gebildet und diesen durch Aushämmern zu dem er⸗—
forderlichen Umfang ausgedehnt. Solche Radreifen hat er vom Jahr 1853 an
zu vielen Tausenden hergestellt und sehr großen Gewinn daraus erzielt. Die durch
Schweißung hergestellten Radreifen an den Rädern der Eisenbahnwagen wurden
abgeschafft, weil sie so oft an der Schweißungsstelle brachen und dann Unglücks—
fälle herbeiführten.