fullscreen: Deutsches Lesebuch mit Bildern für Volksschulen

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als ihn jemand fragte, ob er nicht seinen königlichen Schmuck anlegen wollte, 
antwortete er: „Nein! der König von Böhmen hat oft über mein graues 
Wams gelacht; heute soll mein graues Wams einmal über ihn lachen, und 
die fremden Völker sollen sehen, was die Waffen der Deutschen vermögen." 
Bald aber fühlte Ottokar bittere Reue, sich gedemütigt zu haben, und die 5 
Spöttereien und Vorwürfe seiner Gemahlin, einer galizischen Fürstin, reizten 
ihn noch mehr auf. Er mußte sich von ihr sagen lassen, er habe den deutschen 
König von fern wie ein Hund angebellt und in der Nähe angewedelt. Ottokar 
ertrug dies nicht; er griff von neuem zu den Waffen. Rudolf hatte nur 
wenig Mannschaft um sich, bald aber zog er Verstärkungen an sich und rückte 10 
gegen Ottokar vor. Es kam zur Schlacht auf dem Marchfelde bei Wien 
(1278). Rudolf hatte befohlen, Ottokars Leben zu schonen, dieser aber einen 
Preis demjenigen versprochen, der ihm feinen Gegner tot oder lebendig liefern 
würde. Furchtbar wütete der Kampf; Ottokar wurde erschlagen; Rudolf, von 
einem böhmischen Ritter vom Pferde geworfen, lag unter diesem, und nur 15 
fein Schild, mit welchem er sich bedeckte, rettete ihn vor den Hufen der über 
ihn her stürmenden Rosse. Bald hob er sich unter feinem Pferde wieder 
empor und errang den Sieg. Ein Ritter aus Ottokars Heere, von dem Rudolf 
beinahe getötet worden wäre, fiel schwer verwundet in die Hände der Sieger, 
die ihn im Zorn niederhauen wollten, weil er das Leben ihres Königs 20 
bedroht hatte; allein Rudolf sprach: „Das verhüte Gott! Einen so tapferen 
Ritter töten hieße dem Reiche unersetzlichen Schaden zufügen." Er befahl, 
den Gefangenen sorgfältig zu verbinden und zu verpflegen. 
Nach diesem Siege rückte Rudolf durch Mähren in Böhmen ein. Der 
elfjährige Wenzel, der Sohn Ottokars, erhielt Böhmen und Mähren als 25 
Reichslehen. Mit den österreichischen Landen aber belehnte Rudolf seine beiden 
Söhne Albrecht und Rudolf (1282). Auf diese Weife suchte Rudolf feine 
Hausmacht zu vermehren, in der Überzeugung, daß nur dadurch das Königtum 
den Fürsten gegenüber zu wahrem Ansehen gelangen könne. Auch die folgenden 
Könige haben diesen Grundsatz gewahrt. Seine sechs Töchter vermählte Rudolf SO 
mit angesehenen Fürsten, so daß auch diese Ehebündnisse zur Erhöhung seiner 
Macht beitrugen. 
Wie der König für sein eigenes Haus sorgte, so war er nicht weniger 
bemüht, dem Reiche die Güter und Rechte wieder zu gewinnen, die demselben 
in den Zeiten des Interregnums waren entrissen worden. In dem Herzog- 35 
tume Schivaben war nach dem Untergange der Hohenstaufen besonders das 
Haus der Grafen von Württemberg zu Macht und Ansehen emporgestiegen. 
Graf Eberhard war ein wilder, fehdelustiger Kriegsmann, der den Wahl- 
spruch führte: „Gottes Freund und aller Welt Feind." Gegen ihn mußte 
Rudolf mehrmals das Reichsheer aufbieten, bis er sich endlich unterwarf. 10 
Mit gleicher Thätigkeit sorgte Rudolf für die Handhabung der Gerechtig¬ 
keit und die Herstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Er durch¬ 
zog das Reich von einem Ende bis zum anderen, saß oft persönlich zu Gericht 
und erlaubte einem jedem Zutritt; „denn," sagte er, „ich bin wahrlich nicht 
König geworden, um mich vor den Menschen einzuschließen." Mehrmals gab 45 
er Gesetze zur Aufrechterhaltung des Landfriedens, welche von den Ständen 
des Reiches beschworen werden mußten. Die Übertreter traf strenge Strafe.
	        
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