Rußland unter Katharina ii. und Polens Theilung 321 
Reform der Verfassung scheiterte am Einspruch des russischen Gesandten 
Repnin, der sich in Warschau wie ein Diktator benahm und im Namen 
seiner Kaiserin eine Art Protectorat über Polen übte. Poniatowski, als Kö¬ 
nig eben so schwach und Haltungslos, wie als Privatmann und feiner Ken¬ 
ner und Beschützer der Literatur und Künste liebenswürdig, mußte schon jetzt 
einwilligen, daß Rußland zur Abrundung seiner Grenzen eine Strecke Landes 
von Polen losriß. 
§.693. Der Dissidentenftreit. Da geschah es, daß die Dissi¬ 
denten, wozu nicht nur Protestanten und Socinianer, sondern 
auch die Bekenner der griechischen Kirche gerechnet wurden, um Rück¬ 
erstattung der ihnen durch den Frieden von Oliva zugesicherten (§. 587.), 
aber durch den Einfluß der Jesuiten langst entrissenen Religionsfreiheit 
und Rechtsgleichheit mit den Katholiken bittend einkamen. Ihr nicht 
nur von Rußland und Preußen, sondern auch von Schweden, Dänemark 
und England unterstütztes und von dem König gebilligtes Gesuch wurde auf 
Betreiben des Klerus von dem katholischen Adel auf dem Reichstage verwor¬ 
fen. Da bildeten die Dissidenten im Verein mit den „Mißvergnügten" 
die General-Conföderation von Radom, um unter dem Schutze ~i'7C7.rt 
Repnins und der von ihm herbeigerufenen russischen Armee ihre Forderun¬ 
gen mit Gewalt durchzusetzen. Der Reichstag, eingeschüchtert durch die Ver¬ 
haftung des fanatischen Bischofs von Krakau (Soltyk) und die gewaltsame 
Wegführung der eifrigsten Gegner der Duldung, bewilligte den Dissidenten 
freie Religionsübung, Zutritt zu allen Aemtern, Stimmrecht in der National¬ 
versammlung und die im Jahre 1717 inne gehabten Kirchen. Umringt von 
russischen Truppen Unterzeichneten die Landboten unter dem ^Bildnisse der 
Kaiserin die in ganz Europa mit Jubel begrüßte Toleranzakte, das 
Wahrzeichen der Ohnmacht Polens ; und damit diese Ohnmacht dauernd 
bliebe, mußte derselbe Reichstag die Beibehaltung des liberum Veto, und 
aller Uebelstände der alten Verfassung beschließen, so sehr auch der König, 
seine Oheime (Czartoriski) und andere patriotische Edelleute auf Abstellung 
des anarchischen Zustandes hinwirkten. Ohne die Zustimmung Rußlands, 
das die polnische Verfassung gewährleistete, sollte in Zukunft kein Reichstags¬ 
beschluß Geltung haben. Diese Vorgänge verletzten das Nationalgesrchl und 
weckten den Religionshaß der katholischen Eiferer. Die podolische Gegen- ^tgs*' 
co nföderation von Bar (geleitet von Krasinski, Pulawski, Potocki 
u. 21.) hatte zum Ziel, Abschüttelung der russischen Uebermacht und Vernich¬ 
tung der den Dissidenten verliehenen Rechte. Nun zwang Repnin den Se¬ 
nat zu der Bitte, die Kaiserin möge ihre Heere nicht aus Polen entfernen. 
Ein wüthender Kampf erhob sich zwischen den von Frankreich mit Geld und 
Offizieren unterstützten Conföderirten und den Russen und ihren polnischen 
Schützlingen. Alle Schrecken eines verheerenden Kriegs lagerten sich über 
das unglückliche Land. Bald waren die Conföderirten aufs Aeußersie ge- 
Weber, Geschichte. li. 6. Äufl. 21
	        
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