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125. Die Schlacht bei Leuthen.
(am 5. December 1757).
Sobald der König den Anmarsch des Prinzen Karl von Lothringen
erfuhr, beschloß er ihin entgegen zu gehen und ihm eine Schlacht zu
liefern. Seine Armee bestand nur aus 32,000 Mann, während ihm 80 bis
90,000 Oesterreicher gegenüberstanden, die anders disciplinirt waren als
die Feinde bei Roßbach und die durch ihre seitherigen Fortschritte das
Gefühl des Sieges in sich trugen. Auch machten die'Bedenklichen auf die
gutgewählte Stellung des Gegners aufmerksam; aber der König war ent¬
schlossen „und wenn sie auf den Thürmen von Breslau stünden, ich will
sie angreifen!" Dennoch verkannte er das Außerordentliche des Wagnisses
nicht; er versammelte daher die Generale und Stabsoffiziere seines Heeres aus
offenen! Felde — zwischen Neumark und Leuthen — im Kreise und sprach
zu ihnen die folgenden Worte, welche die Geschichte uns aufbewahrt hat:
„Ihnen, meine Herren, ist es bekannt, daß es dem Prinzen Karl
von Lothringen gelungen ist, Schweidnitz zu erobern, den Herzog von
Bevern zu schlagen und sich zum Meister Hon Breslau zu machen, wäh¬
rend ich gezwungen war, den Fortschritten der Franzosen und Reichs¬
völker Einhalt zu thun. Ein Theil von Schlesien, meine Hauptstadt und
alle darin befindlich gewesenen Kriegsbedürfnisse sind dadurch verloren
gegangen und meine Widerwärtigkeiten würden aufs Höchste gestiegen
sein, setzte ich nicht ein unbegrenztes Vertrauen in Ihren Muth, Ihre
Standhaftigkeit und Ihre Vaterlandsliebe, die Sie bei so vielen Gelegen¬
heiten mir bewiesen haben. Ich erkenne diese dem Vaterlande und mir
geleisteten Dienste mit der innigsten Rührung meines Herzens. Es ist
säst Keiner unter Ihnen, der sich nicht durch eine große, ehrenvolle That
ausgezeichnet hätte, und ich schmeichle mir daher, Sie werden bei vor¬
fallender Gelegenheit nichts an dem mangeln lassen, was der Staat von
Ihrer Tapferkeit zu fordern berechtigt ist. Dieser Zeitpunkt rückt heran;
ich würde glauben nichts gethan zu haben, ließe ich die Oesterreicher im
Besitz von Schlesien. Lassen Sie es sich also gesagt sein: ich werde gegen
alle Regeln der Kunst die beinahe dreimal stärkere Armee des Prinzen
Karl angreifen, wo ich sie finde. Es ist hier nicht die Rede von der
Anzahl der Feinde, noch von der Wichtigkeit ihres gewählten Postens;
alles dieses, hoffe ich, wird die Herzhaftigkeit meiner Truppen und die
richtige Befolgung meiner Dispositionen zu überwinden suchen. Ich
muß diesen Schritt wagen, oder es ist Alles verloren; wir müssen
den Feind schlagen, oder uns alle vor seinen Batterieen
begraben lassen. So denke ich — so werde ich handeln. Machen
Sie diesen meinen Entschluß allen Offizieren der Armee bekannt; bereiten
Sie den gemeinen Mann zu deu Auftritten vor, die bald folgen werden,
und kündigen Sie ihm an, daß ich mich für berechtigt halte, unbedingten
Gehorsam von ihm zu fordern. Wenn Sie übrigens bedenken, daß Sie
Preußen sind, so werden Sie gewiß dieses Vorzugs sich nicht unwürdig
machen. Ist aber Einer oder der Andere unter Ihnen, der sich fürchtet
alle Gefahren mit mir zu theilen, der kann noch heute seinen Abschied
erbalten, ohne von mir den geringsten Vorwurf zu leiden." „Wir folgen
Eurer Majestät in den Tod! Gut und Blut für unseren König!" riefen
die versammelten Offiziere und Friedrich erkannte mit freudiger Zuversicht
die Begeisterung und die völlige Ergebenheit der Herzen.