Full text: Für mittlere Klassen (Theil 2)

399 
Bataillonen. Vergebens! —- So kühn er auch dem Tod entgegengeht — 
er muß dem Schicksal weichen. Er weicht wie bei Kollin. Der Paß von 
Drehsa, der einzige Rückzugsweg, wird gerettet; Seydlitz deckt die umkeh¬ 
rende Armee, und der König nimmt zwijchen Klein-Bautzen und Kreckwitz 
den sogenannten Spitzberg, eine halbe Stunde vom Schlachtfeld, ein. 
An Verfolgung kein Gedanke. Daun zieht am Abend seines unfruchtbaren 
Sieges in das alte Lager wieder ein. Er hatte 101 Geschütze, 28 Fah¬ 
nen, 2 Standarten und den größten Theil der Zelte erbeutet. Der preu¬ 
ßische Verlust an Todten, Vermißten und Gefangenen betrug 119 Offiziere 
und 5381 Mann; an Blessirten 3470; überhaupt 246 Offiziere und 
8851 Mann. Fast eben so viel hatten die Oesterreicher eingebüßt. 
I. D. E. Preuß. 
127. Aufruf Friedrich Wilhelms III. 
An mein Volk! 
So wenig für mein treues Volk als für Deutsche bedarf es einer 
Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt: klar 
liegen sie dem unverblendeten Europa vor Augen. Wir erlagen unter 
der Uebermacht Frankreichs. Der Friede, der'die Hälfte meiner Unter¬ 
thanen mir entriß, gab uns seine Segnungen nicht: denn er schlug uns 
tiefere Wunden, als selbst der Krieg. Das Mark des Landes ward aus¬ 
gesogen. Die Hauptfestungen blieben voni Feinde besetzt, der Ackerbau 
ward gelähmt, sowie der sonst so hoch gebrachte Kunstfleiß unserer Städte. 
Die Freiheit des Handels ward gehemmt und dadurch die Quelle des 
Erwerbes und des Wohlstandes verstopft. Das Land ward ein Raub 
der Verarmung. Durch die strengste Erfüllung eingegangener Verbind¬ 
lichkeiten hoffte ich meinem Volke Erleichterung zu verschaffen und den 
französischen Kaiser endlich zu überzeugen, daß es sein eigener Vortheil 
sei, Preußen seine Unabhängigkeit zu lassen. Aber meine reinsten Absich¬ 
ten wurden durch Uebermuth und Treulosigkeit vereitelt, und nur zu 
deutlich sahen wir, daß des Kaisers Verträge mehr noch wie seine Kriege 
uns langsam verderben mußten. Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo 
alle Täuschung über unsern Zustand schwindet. Brandenburger, Preußen, 
Schlesier, Pommern, Lithauer! Ihr wißt, was ihr seit sieben Jahren 
erduldet habet, ihr wißt, was euer trauriges Loos isi, wenn wir den 
beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert euch an die Vorzeit, 
an den großen Kurfürsten, an den großen Friedrich. Bleibet eingedenk 
der Güter, die unter ihnen unsere Vorfahren blutig erkämpften: Gewis¬ 
sensfreiheit, Ehre, Unabhängigkeit, Handel, Kunstfleiß und Wissenschaft. 
Gedenkt des großen Beispiels unserer mächtigen Verbündeten, gedenkt der 
Spanier und Portugiesen; selbst kleine Völker sind für gleiche Güter gegen 
mächtigere Feinde in den Kampf gezogen und haben den Sieg errungen: 
erinnert euch an die heldenmüthigen Schweizer und Niederländer. Große 
Opfer werden von allen Ständen gefordert werden; denn unser Beginnen 
ist groß und nicht gering die Zahl und die Mittel unserer Feinde. Ihr 
werdet jene lieber bringen für das Vaterland, für euren angebornen 
König, als für einen fremden Herrscher, der, wie so viele Beispiele leh¬ 
ren, eure Söhne und eure letzten Kräfte Zwecken widmen würde, die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.