Full text: Für mittlere Klassen (Theil 2)

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Der Wind nun auf zum wilden Reigen, 
Die sausende Gewitterspur. 
2. Am Himmel eilt mit dumpfem 
Klange 
Herauf der finstre Wolkenzug: 
So nimmt der Zorn im heißen Drange 
Den nächtlichen Gedankenflug. — 
3. Der Himmel donnert seinen Hader; 
Auf seiner dunkeln Stirne glüht 
Der Blitz hervor, die Zornesader, 
Die Schrecken auf die Erde sprüht. 
4. Der Regen stürzt in lauten Güs¬ 
sen; 
Mit Bäuinen, die der Sturm zerbrach, 
Erbraust der Strom zumeinenFüßen;— 
Doch schweigt der Donner allgemach. 
5. Der Sturm läßt seine Flügel 
sinken, 
Der Regen säuselt milde Ruh: 
Da sah ich froh ein Hüttlein winken, 
Und eilte seiner Pforte zu. 
N. Lenau. 
31. Bergiicd. 
1. Am Abgrund leitet der schwindlichte Steg, 
Er führt zwischen Leben und Sterben; 
Es sperren die Riesen den einsamen Weg 
Und drohen dir ewig Verderben; 
Und willst du die schlafende Löwin*) nicht wecken, 
So wandle still durch die Straße der Schrecken. 
2. Es schwebt eine Brücke hoch über den Rand 
Der furchtbaren Tiefe gebogen; 
Sie ward nicht erbauet von Menschenhand, 
Es hätte sich's Keiner verwegen; 
Der Strom braus't unter ihr spat und früh, 
Spei't ewig hinaus, und zertrümmert sie nie. 
3. Es öffnet sich schwarz ein schauriges Thor, 
Du glaubst dich im Reiche der Schatten. 
Da thut sich ein lachend Gelände hervor, 
Wo der Herbst und der Frühling sich galten; 
Aus des Lebens Mühen und ewiger Qual 
Möcht' ich fliehen in dieses glückselige Thal. 
4. Vier Ströme brausen hinab in das Feld, 
Ihr Quell, der ist ewig verborgen; 
Sie fließen nach allen vier Straßen der Welt, 
Nach Abend, Nord, Mittag und Morgen; 
Und wie die Mutter sie rauschend geboren, 
Fort flieh'n sie und bleiben sich ewig verloren. 
5. Zwei Zinken ragen in's Blaue der Luft, 
Hoch über der Menschen Geschlechter, 
D'rauf tanzen, umschleiert mit goldenem Dust, 
Die Wolken, die himmlischen Töchter. 
*) Löwin, an einigen Orten der Schweiz der verdorbene Ausdruck für Lawine.
	        
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