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den Weg von Platää nach Delphi und zurück, also tausend Stadien oder
ünfundzwanzig Meilen, an einem Tage; er wurde freilich ein Opfer dieser patrio—
ischen Anstrengung. Bei so großen Anstrengungen, wie sie die griechische Gymnastik
Amn Körper zumuthete, erschien dagegen das Spazierengehen als ein erschlaffendes
Sichgehenlassen, und Nian erzählt: „Als die Ephoren zu Lakedämon erfuhren, daß
hre Truppen, die in Dekelia als Besatzung lagen, Abendspaziergänge zu machen
flegten entboten sie ihnen: „Gehet nicht späzieren!“ Denn ihre Ansicht war, es sei dies
en Vergnügen, nicht aber eine körperliche Anstrengung, und die Lakedämonier sollten
licht durch Spaziergänge, sondern durch Leibesübüngen für ihre Gesundheit sorgen.“
der Eine Fußreise unterscheidet sich von einem Spaziergange hauptsächlich durch die
Leischiedenheit des erstrebten Ziels und demnächst durch ihre längere Dauer, woraus
die übrigen Unterschiede von selbst folgen. Der Spaziergänger sucht in bekannter,
ewohnter Umgebung, die zugleich den Geist angenehm beruüͤhrt, ohne ihn aufzuregen,
n wenig anstrengender Bewegung lediglich Erholung von geistiger Anstrengung oder
un von einseitiger körperlicher Thätigleit. Der Reisende hingegen verfolgt ein be—
mmtes Ziel, welches jenseits der gewohnten Umgebung liegt und zugleich im Stande
st, die größere Anstrengung und die längere oder kürzere Verzichtleistung auf die
unehrnte Lebensordnung zu belohnen, ohne welche es nicht erreicht werden kann.
Gang nach einer mehrere Stunden entfernten Höhe, einem Strom, einer Burg
* einem auziehenden Punkte anderer Art, wenn Hin- und Herweg einen vollen
9 in Anspruch nehmen, kann schon als eine kleine Fußreise betrachtet werden.
h besser, wenn die Entfernung so groß ist, daß an einem oder mehreren fremden
Aten übernachtet werden muß.
si Es wäre zu beklagen, wenn Dampfschiffe und Dampfwagen diesen namentlich
uaben und Jünglinge, besonders wenn sich dieselben zu einer kleinen Reisegesell⸗
shaft zusammenscharen, so genußreichen, so wohlthätigen Wanderungen Eintrag thun
en Welches Vergnügen gewährt schon die Zurüstung zur Wanderfahrt! Mit
lher Spannung wird der Reiseplan entworfen, eines jeden Tages Aufgabe und
* festgeseßt! Welche Lust, am Abend vor dem Aufbruch das Ränzel und den
Rutel mit der leichten Last zu füllen, welche Wonne, am frischen Morgen in der
Anttin Schar unter heiterem Liederklang muthig und erwartungsvoll wie ein Aben—
nt mit auszurücken, einer friedlichen, niemand beeinträchtigenden, sicheren Erobe—
hh entgegen! Da thut schon nach ein paar Stunden eine neue Welt sich auf,
alles die Aufmerksamkeit wunderbar anregt, zumal da, was viele Augen entdeckt
n, doch einem jeden Einzelnen zugute kommt. Wie schließen sich alle Reise—
nesen im Gefühle gleichen Genusses und gleicher Anstrengung bald innig und immer
me aneinander! Aus Reisebrüdern werden Herzensfreunde, welche lebenslang
inehalten Wie werden in dem jugendfrischen Kreise alle Unannehmlichkeiten
an Beschwerden mit Muth, ja mit fröhlichem Übermuth ertragen; wie bald begreift
sinden daß doppelt leide, wer bei Regenwetter und schlechter Kost noch sauer
n Wie werden anderseits die Freuden, welche die schöne Natur oder irgend
bh heiteres Erlebnis bereitet, durch die Kameradschaft gewürzt; wie sprudeln alle,
die sonst schüchternen, ftilleren, in sich gelehrten Naturen von munterem Zuruf
ud Gespräch, von neckendem und jauchzender Lust!
le Freilich nicht die einförmigen Ebenen, wo man alles so lange voraussieht, wo
sine Überraschung, keine Neuheit der Gegenstände das Gefühl der Ermüdung zer—
und der Verdruß, nur langsam aus der Stelle zu kommen, leicht die Oberhand
innt, sondern nur anmutige Landschaften, besonders die hohen Gebirgsgegenden,
nen den Genuß des Wanderns in seiner ganzen Fülle verschaffen. Wer begrübe
irde nicht alsbald mit dem Dichter den selbst schon zum „treuen Gefährten“
¶ro denen Trübsinn? Die Beschwerden sind zwar anfänglich für den Weichlichen
nd Ungeübten nicht gering; der steinige Boden verletzt seine Füße, das Hinanklim—