192 IV. 22. Verschiedenheit der Menschen 
auch gar kein Gott und gar keine Religion wäre, übrig 
bliebe, und aus der einzigen Regel bestehn würde, daß 
ein Jeder seine Einfalle und Triebe befriedigen müßte, 
doch mit solcher Vorsichtigkeit, daß er sich in diesem 
Leben nach dem Laufe der Welt nicht größre Vcrgnü- 
gungen dadurch entzöge, und sich nicht nebst ängstlicher 
Reue großes Unglück verursachte. 
Gnug von Naturalisten ! Einige wilde Völker 
oder ganz dumme Personen gerathen, wie gesagt lst, 
gar nicht auf die Untersuchung, ob ein Gott sey. Wer 
aber an den Begriff von Gott gedacht hat, und den¬ 
noch aus irgend einer Ursache sein Daseyn leugnet, 
heißt ein Atheist oder Gottesleugner. Von dieser 
Art entdeckt man nur wenige Menschen. Da aber ein 
solcher Deist, welcher die göttliche Allwissenheit, Vor. 
sehung und künftige Vergeltung leugnet, zur Vermei. 
düng der Laster nicht mehr, nicht weniger Vewegungs- 
gründe hat, als ein Atheist; so ist man gewohnt, 
auch ihm diesen Namen zu geben. Zu dieser Art 
Menschen gehören auch die Materialisten, welche 
die Seelen für sterblich ansehn; die Epicuraer, wel- 
che überdieß eine Vorsehung leugnen : die Spinozi- 
sien, welche in einer unverständlichen Rede die Welt 
als Gott, oder Gott als die Welt, vorstellen, und 
andre mehr. 
Zweifler oder Sceptiker in der Religion sind 
von verfchieöner Art. Einige wechseln ab, Gottes 
Daseyn und Eigenschaften zu bejahen und zu vernei¬ 
nen. Andre glauben zwar an Gott, aber zweifeln an 
der künftigen Vergeltung. Einige hingegen glauben 
sowohl einen Gott als die Vergeltung des Guten und 
. des
	        
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