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Nimmt von dem Mann drei Pfennig
dafür.
Und als sie über den Markt nun
gehen,
Sieht er daselbst schöne Kirschen stehen,
Kauft ihrer, so wenig oder so viel,
Als man für einen Dreier geben will,
Die er sodann nach seiner Art
Ruhig im Ermcl aufbewahrt.
Nun gieng's zum andern Thor
hinaus,
Durch Wies und Felder ohne Haus,
Auch war der Weg von Bäumen bloß;
Die Sonne schieß die Hih' war groß,
So daß man viel an solcher Statt'
Für einen Trunk Wasser gegeben
hätt'.
Der Herr geht immer voraus vor
allen,
Läßt unversehens eine Kirsche fallen.
Sanct Peter war gleich dahinter her,
Als wenn es ein goldner Apfel wär';
Das Beerlein schmeckte seinem Gaum.
Der Herr nach einem kleinen Raum
Ein ander Kirschlein zur Erde schickt,
Wonach Saitct Peter schnell sich bückt.
So läßt der Herr ihn seinen Rücken
Gar vielmal nach den Kirschen bücken.
Das dauert eine ganze Zeit.
Dann sprach der Herr mit Heiterkeit :
'Thät'st du zur rechten Zeit dich regen,
Hätt'st du's bequemer haben mögen.
Wer geringe Ding' wenig acht't,
Sich um geringere Mühe inacht.'
112.
Marienblume.
Von Colshorn.
Deutsche Mythologie. Hannover 1853- S. 356.
Als Christus drei Jahr alt geworden war, wollte seine Mllttcr
ihm einen Geburtstagkranz winden. Weil es aber um Weihnachten
draußen keine Blumen giebt, auch im gelobten Lande nicht, imb
in Nazareth keine gemachte Blumen 511 kaufen waren, so verfertigte
Marie selber dergleichen. Ein Blumlein nun zeichnete sich vor allen
aus durch seine stille Pracht. Zu diesem hatte sie eilt Stückchen
prächtig goldgelber Seide genommen, das ihr tioch von David
her geblieben war, und in dasselbe dicke Fäden weißer Seide ein¬
gereiht, Faden an Faden;'und weil sie bei Befestigung derselben
mit der Nadel sich verletzt hatte, waren feine Blutstrahlen hervor¬
gespritzt und hiervon einige Fäden roth angelaufen, was das
Knäbleiu so ganz eigen bewegte.
Als aber der Winter vergangen itnb der Regen weg und
dahin war, und nun mit des Lenzes Ankunft die Blumen im
Laude hervorkamen, der Feigenbaum Knoten gewanit, die Weiu-
stöcke Augen erzeugteit, lind die Turteltaube sich hören ließ im
Laude; da nahm Christus die zarte Pflanze mit ihrem einköpflgen
Schafte, ben eirunden gekerbten Blättern imb der Blume mit
gelber Scheibe imb weißen und rothen Strahlen und pflanzte
sie ins Thal um Nazareth, ergriff alsdann ftüien goldenen Trink¬
becher, den ihm die Weisen des Morgeitlands geschenkt hatten,
lief zu einer nahen Quelle, begoß sie und hauchte sie au. Da
wuchs sie uild ward eine der vvllkommeilsten aller Pflanzen und
überzog alle Wclttheile und stickte Wieselt nnb Triften mit reizendem
Schmelze und blüht nun unaufhörlich fort von da an, wo der