gebracht hatte. Als er zur Regierung gekommen war, erwachte seine
alte Sehnsucht wieder, nach Palästina zu pilgern und an des Heilands
Grabe zu beten. Im Jahre 1271 brachte er seinen Plan zur Ausführung.
Für die Zeit seiner Abwesenheit übergab er seiner Gemahlin Anastasia
die Regierung und stellte ihr zwei erprobte Männer, Dietrich von Oertzen
und Heino von Stralendorf, als Räte zur Seite. Dann empfahl er
Haus und Land der Barmherzigkeit Gottes, nahm Abschied von den
Seinen und reiste ins Morgenland. Er landete in Akko, dem einzigen
Orte, welchen die Christen noch im Heiligen Lande besassen, und pilgerte
von dort nach Jerusalem, von niemandem als seinem treuen Diener
Martin Blayer begleitet. Aber er hat Jerusalem nicht gesehen. Räu¬
berische Horden trafen die Pilger, nahmen sie gefangen und schleppten
sie nach Kairo in Ägypten. Dort wurden sie in ein elendes Gefängnis
geworfen; denn der Sultan von Ägypten hatte etwas von dem Stande
seines Gefangenen erfahren und wollte ihn nicht als Sklaven verkaufen,
sondern gedachte ihn aufzubewahren, damit er ein grosses Lösegeld
für ihn erpressen könne.
In Mecklenburg erfuhr kein Mensch etwas von dem Schicksal,
das den Fürsten betroffen hatte. Die Seinigen gerieten in grosse Un¬
ruhe und forschten mit Fleiss, so oft ein Schiff aus dem Morgenlande
heimkehrte; aber lange Zeit war alles vergebens. Nach vier Jahren
endlich kam die Trauerkunde, dass Heinrich von den Türken gefangen
sei. Was aber weiter mit ihm geschehen war, ob er in der Sklaverei
schmachte oder getötet sei, das wusste niemand zu sagen.
Abermals vergingen zwölf volle Jahre, ohne dass die sorgfältigsten
Bemühungen, über das Schicksal des Fürsten Auskunft zu erhalten,
den geringsten Erfolg gehabt hätten; da kam die verbürgte Nachricht,
dass Heinrich mit seinem Martin im Kerker zu Kairo schmachte und der
Erlösung durch die Seinen harre. Eilig wurde das Lösegeld zusammen¬
gebracht und an die Ritter in Akko gesandt, dass sie dafür den Fürsten
und seinen Diener loskauften. Umsonst! Nach zwei Jahren kam das
Geld zurück. Der Kampf mit den Türken war von neuem ausgebrochen
und unter diesen Umständen an Geldsendungen nach Ägypten und
Verhandlung mit dem Sultan nicht zu denken. Damit schwand die
letzte Hoffnung, dass der Gefangene loskommen und sein Vaterland
noch wiedersehen werde. In ganz Mecklenburg wurde Heinrich als
ein Toter betrauert. Nur Anastasia konnte die Hoffnung nicht gänz¬
lich aus dem Herzen reissen, dass sie ihren Gemahl in diesem Leben
noch wiedersehen werde. Wenige Getreue standen ihr mit schwachem
Glauben zur Seite.
Sechsundzwanzig Jahre waren verflossen, seit Heinrich fortge-
gegangen war; da lief wie ein Feuer die Kunde durchs Land, dass der
totgeglaubte Herrscher im Anzuge sei. In Ägypten war ein neuer
Sultan auf den Thron gekommen; den hatte das Schicksal des Christ¬