Kanarische Inseln.
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hier aus wird der Weg außerordentlich steil und sehr beschwerlich, da
man auf dem Gerölle keinen festen Schritt thun kann, und erreicht
endlich nach 3 Stunden eines solchen beschwerlichen Weges die kleine
Ebene von Rambletta, gegen 11000 F. hoch. In der Mitte dieser
Ebene erhebt sich denn nun der eigentliche Pik oder Piton, auf welchen
man nach einer kleinen halben Stunde gelangt. Der 11,500 F. hohe
Pik ist ein Theil des Jahres mit Schnee bedeckt und der Krater dessel¬
ben hat eine kreisförmige Lavamauer herum, welche verhindert, daß
man nicht in den Krater sehen kann. Man steigt in den Boden des
Kraters durch eine Seitenöffnung der Wand, welche sich wie ein Wall
herumgcbildet hat. Übrigens ist der Krater verhaltnißmaßig zu dem
Vulkane sehr klein, denn das Oval desselben hat nur 300 F. Durch¬
messer. Das Ansehen desselben ist zackig und zerrissen. Man kann
sich nichts Wilderes denken; aus kleinen Spalten dringen überall scharfe
Dampfe hervor und der heiße Boden bezeugt die Thätigkeit der unter¬
irdischen Kräfte. Übrigens sind die Wände verwittert und zum Theil
eingestürzt, was beweist, daß seit Jahrhunderten kein Ausbruch aus dem
Gipfel Statt fand. Schwefel wird hier in großen Massen und auch
in kleinen Krystallen erzeugt. Stößt man mit dem Fuße auf den
Boden, so hört man einen dumpfen Schall. ' Bennet schätzt die Tiefe
des Kraters auf 200 Fuß.
Über alle Beschreibung ist das prachtvolle Schauspiel, welches sich
vom Gipfel des Piks darstellt. Die heitere durchsichtige Luft, von
deren Reinheit wir in unserm Norden keinen Begriff haben, erlaubt
dem Blicke eine ungeheure Oberflache zu umfassen. Der Pik ist hoch
genug, um diesen weiten Raum dem Auge zu gestatten, und doch
nicht zu hoch, um die Umrisse selbst kleinerer Gegenstände zu verwirren«
Man blickt von hier aus weit in den Ozean hinein und überschaut
die Gruppe der Kanarischen Inseln auf einen Blick; man sieht die
Dörfer, Gärten und Weinberge von Teneriffa, als ob sie ganz nahe
wären; man unterscheidet nicht nur die Häuser, das Segelwerk der
Schiffe, die Stamme der Bäume, sondern man sieht auch die Vege¬
tation der Erde prangen in glänzenden Farben. Nirgends stellt sich
die Natur in höherer Pracht und Majestät dem Auge dar«
Das Heruntersteigen von dem Pik ist wegen seiner Steilheit
und der Lavablöcke, welche hinter dem Wanderer herrollen, nicht leicht.
Bennet brauchte etwas über 2 Stunden, um nach la Estancia herab¬
zusteigen, wo er seinen Maulesel wieder fand. Übrigens sagt Bennett
„die Schwierigkeiten der Besteigung des Piks von Teneriffa hat man
sehr vergrößert. Der Theil, den man zu Fuß zurücklegen muß, erfordert
höchstens 4 Stunden, und die ganze Unternehmung in Hinsicht auf
Ermüdung kann nicht mit der Ersteigung der Alpen verglichen werden.
Es giebt in Europa keinen etwas hohen Berg, der nicht dem Reisenden
wehr Schwierigkeiten machen sollte, als der Pik von Teneriffa."
Cannabich'â Hülfsbuch. II. Band.
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