Die deutschen Landschaften und Stämme. 53
den rheinischen Städten feierte das Rittertum seine glänzendsten Feste, dichtete Gott-
sried von Straßburg sein glühendes Epos und sang Heinrich Frauenlob seine zarten
Minnelieder. Längs der verkehrsbelebten Rheinstraße erblühten mächtige Reichsstädte
mit einem selbstbewußten, gewerbe-und handelstätigen Bürgertum, vor allem Straß-
bürg, „die wunderschöne Stadt", deren Besitz Karl V. höher schätzte als Wien. Macht-
voll trat der Rheinische Städtebund dem ungerechten Treiben der Ritter und Fürsten
entgegen. Herrliche Dome, stolze Fürstenschlösser und starke Waffenplätze entstanden,
hier wurde auch die Erfindung der Buchdruckerkunst gemacht, die Sage verlegt selbst
die Erfindung des Schießpulvers nach Freiburg i. B. Erst durch den politischen
Zerfall Deutschlands im 30jährigen Kriege und die Raubzüge Ludwigs XIV. ward
der Rhein „Deutschlands Grenze", bis er mit der Wiederaufrichtung des Deutschen
Reiches im Jahre 1871 aufs neue „Deutschlands Strom" wurde.
Wie die Oberrheinische Tiefebene, so vereinigen auch das Main- und Neckarland
alle Bedingungen zur Entwicklung eines reichen geschichtlichen und kulturellen Lebens.
Das Maingebiet (Franken) in der Geschichte. Den Main entlang bestanden
jahrhundertelang große geistliche Herrschaften, die Bistümer Bamberg und Würz-
bürg; Bamberg hochverdient durch die Christianisierung flavifcher Völkerschaften im O.,
Würzburg berühmt durch die Pflege der Wissenschaften und der christlichen Charitas.
Am Main liegt auch Frankfurt, das alte Handelsemporinm, das jahrhundertelang die
Krönungsfestlichkeiten der deutschen Kaiser sah. — Mit seinen zum Burgenbau ein-
ladenden Felsenhöhen fand in dem verkehrsreichen Frankenlande das Rittertum einen
nur zu günstigen Boden, und das gewalttätige Regiment desselben beförderte Haupt-
sächlich die Erhebung der Bauern i. I. 1525. Neben der hohen Geistlichkeit und dem
Adel tat sich auch das Bürgertum in den Reichsstädten Frankens rühmlich hervor,
allen Städten der Welt voran das Nürnberg des sechzehnten Jahrhunderts, wo Bischer,
Dürer, Kraft und Hans Sachs den Ruhm Nürnbergs durch ganz Deutschland trugen.
In den Zeiten schwacher Kaiserherrschaft hatten auch die Frankenlande alle Leiden
der politischen Verelendung Deutschlands zu tragen. Die Mainstraße entlang zogen
im 30jährigen Kriege die Heere Gustav Adolfs und zu Anfang unseres Jahrhunderts
die Truppen des korsischen Cäsars zum Herzen Deutschlands. Noch in der Mitte des
vorigen Jahrhunderts galt die „Mainlinie" sehr mit Unrecht als eine natürliche Scheide-
wand zwischen Nord- und Süddeutschland. Das Mainland ist indes weit mehr eine
„Brücke" zur Verbindung von Nord und Süd, ja sein blühendes Verkehrsleben ver-
dankt es eben diesem glücklichen Umstände.
Und^welch glanzvolle Namen fränkischen Ursprungs weist die Geschichte der
deutschen Dichtkunst auf! Franken ist die Heimat des gedankenreichsten Sängers der
höfischen Poesie, Wolframs von Eschenbach, und im Mainlande ist auch der
genialste und allseitigste Dichter der Neuzeit, Johann Wolfgang Goethe, geboren.
Im letzten Jahrhundert endlich treten uns hier Männer entgegen wie Friedrich
Rückert, Graf Platen, Jean Paul und Oskar von Redwitz.
Schwaben in der Geschichte. Mit den- Franken wetteifert in geschichtlicher Be-
deutung der wackere Stamm der Schwaben. Nicht weniger als vier große Herrscher-
Häuser hat er dem deutschen Volke gegeben: die Staufer und die Welfen, die «
Hohenzollern und die Zähringer.
Dem stark ausgeprägten Freiheitssinne dieses Stammes ist die Entstehung
der vielen freien Reichsstädte in Schwaben zuzuschreiben. Und mit der Freiheits-
liebe des Schwaben paart sich seine altbewährte Tapferkeit, die Uhland in der
Schwäbischen Kunde so treffend gezeichnet hat. Wie die Staufer die meisten Kreuz-
züge und Romfahrten unternommen haben, so galten auch die Schwaben für so wehr-
Haft und streitbar, daß sie die Vorfechter des Reichsheeres bildeten und das Vorrecht