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Abreise aus der Welt. Möchten sich beite auch darin
gleichen, daß ich auch bei der letzter» keinen Menschen
beleidigt und unversöhnt zurücklasse. Dann werde ich
auch der Ewigkeit so ruhig, wie jetzt meinem neuen
Berufe für dieses Leben, entgegen gehen."
Beide Freunde unterrederen sich darauf über den
Werth thätiger Menschenliebe, und der Prinz sprach
unter anderen folgende merkwürdige Worte: „Meinen
Mitmenschen helfen, ist mir das größte Vergnügen, und
ich wünsche, daß ich nie einen ohne Hülfe lassen möge,
dem ich helfen kann. Ja, es liegt mir immer der Ge¬
danke im Sinn, daß ich Gelegenheit finden möchte, ein
Mal einem Menschen das Leben zu retten. Wie wohl
muß es thun, sich einer solchen Handlung bewußt zu
sein! Aber bis jetzt ist mir noch keine solche Gelegen¬
heit vorgekommen, ob ich sie gleich herzlich wünsche und
langst gesucht habe."
Fast auf der ganzen Reise sprach der Prinz hier¬
über, und erinnerte sich an viele Unglücksfalle, wo
Menschen ihr Leben eingebüßt harten. Immer beklagte
er, daß er nicht zugegen, und also nicht im Stande
gewesen sei, sie zu retten. „Richt eher," sagte er unter-
andern, „als bis dieser Wunsch erfüllt ist, möchte ich
gern sterben, dann aber gern."
Dieses Gespräch war seinem Freunde so merkwür¬
dig, daß er, sobald sie nach Potsdam kamen, das Wich¬
tigste davon aufschrieb, und es versiegelt niederlegte.
Reun Jahre lebte nun der menschenfreundliche Prinz in
den preußischen Landen, und legte daselbst auch viele
schöne Proben seiner Menschenliebe ab. Unter andern
stiftete er eine Schule, worin arme Soldatenkinder un¬
entgeltlich unterrichtet wurden. Dann gewahrte ihm
Gott, was er sehnlich gewünscht hatte, als er im Früh¬
jahr 1785 mit seinem Regiment sich in Frankfurt a. d. O.
aufhielt.
Die Oder schwoll durch schnelles Thauwetter nach
einem tiefen Schnee stark au, trat aus, und über¬
schwemmte und verwüstete die flachen Ufergegenden.