Full text: Für einjährigen Unterricht in höheren Mittelklassen berechnet (Kursus 3)

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Mittlere Geschichte. 
Krone wurden aber nicht durch schriftliche Gesetze, sondern erst nach und 
nach durch Gewohnheit und Herkommen festgesetzt. Anfangs war deshalb 
Kaiser uno die Stellung des Königs zu dem Papste, den Fürsten und Erzbischöfen 
Papst, fehr unklar. Nach Erneuerung der römischen Kaiserwürde durch Otto I. 
galt indeß als ausgemacht, daß der Papst dem jedesmaligen Könige die 
Kaiserkrone aufzusetzen und der Kaiser jeden neugewählten Papst zu bestä¬ 
tigen habe. Der Kaiser gelobte dagegen als Schirmherr der Ehristenhcit, 
die Kirche und deren Diener gegen willkürliche Eingriffe schützen, den katho¬ 
lischen Glauben verbreiten und Ketzerei abwehren zu wollen. Auch lag 
ihm die Oberaufsicht über das Patrimonium Petri — den Kirchenstaat — 
ob, weshalb er zu Rom einen stehenden Beamten (Vogt) hielt. So waren 
schon frühzeitig geistliche und weltliche Rechte mit einander verflochten, waS 
bei herrschsüchtigen Päpsten oder gleichgesinnten Kaisern zu erbittertem 
Kampfe führen mußte, der denn auch nicht ausgeblieben ist. 
Die Herzöge strebten in dieser Periode nach Erweiterung und Befesti- 
Die Wahl-stung ihres Einflusses. Aeußerst Vortheilhaft war es für sie, daß sie die 
fürsten. Königswahl fast ganz in Häilden hatten. Ihre Gunst wurde deshalb von 
Thronberwebcrn gesucht und meist durch neue Vergebungen gewonnen, welche 
die herzogliche Ni acht auf Kosten der königlichen verstärkten. Außer den 
Hindernissen, welche das Wahlkönigthum mit sich brachte, wirkten auch 
die hohen Ansichten vor: der Kaiserwürde nachtheilig auf die Entwickelung 
der Königsinacht ein. Das allgemeine Reich der Christenheit hielt die 
deutschen Herrscher ab, sich ein besonderes in ihrem Vaterlande zu grün¬ 
den. Und so sehr hatten die sächsischen Kaiser das Allgemeine vor Augen, 
so hoch hielten sie sich über dem Standpunkte der Vasallen, daß Otto I., 
bald nachdem er König geworden, sein Herzogthum an Hermann, Billung's 
Sohn, fortgab. Gegen solche Ansichten war der Grundsatz, die Herzog¬ 
tümer möglichst an nahe Verwandte zu geben, aus die Dauer kein genü¬ 
gender Ersatz. 
Eigenthümlich war auch das Verhältniß, in welches sich die sächsischen 
Könige zur Geistlichkeit stellten. Sie bedachten die Stifter und Klöster 
fast noch reichlicher, als dies einst von den Merowingern und Karolingern 
geschehen war. In vollem Maße schenkten sie ihnen Aecker, Wiesen und 
Wälder, auch Bergwerke, Marktabgaben und Durchgangözölle, sowie 
selbst die Nutzung von Jagden und Fischereien. Noch wichtiger aber war, 
Immunität, daß sie oen geistlichen Gütern Immunität, d. i. Befreiung von der 
Beaufsichtigung königlicher Beamten, zugestanden. Doch war es hierbei 
nicht aus völlige Unabhängigkeit der geistlichen Herren, sondern vielmehr 
darauf abgesehen, sich in ihrer Macht ein Gegengewicht gegen den 
Trotz weltlicher Vasallen zu verschaffen. Denn die Könige besetz¬ 
ten die Bisthümer entweder geradezu oder hatten doch das Recht der 
Bestätigung. Und der Bischof oder Abt mußte bei Antritt seines Amtes, 
ebenso wie der weltliche Vasall bei Empfang eines Gutes, dem Könige 
den Eid der Treue leisten und empfing aus der Hand desselben Ring 
Investitur, und Stab (die Investitur) als Zeichen aller dem Stifte eingeräumten 
Rechte. Gerade Heinrich II., der sich gegen die Kirche am gütigsten 
Unmittel- L"gte, hat das Belehnungsrecht der Geistltchen sehr streng gehalten, 
bare Reichs- Wie die Bischöfe und Aebte, so entzogen sich auch mächtige Grafen 
Vasallen. der herzoglichen Gewalt und wurden unmittelbare Reichsvasallen.
	        
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