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wenn die blühenden Mandel- und Pfirsichbäume die Höhen mit einem
röllichen Schimmer bekleiden; oder später, wenn die blühenden Äpfel⸗ und
Birnbaäume die Gegend wie mit Schnee bedeckt erscheinen lassen; oder im
Sommer, wenn der laue West die reichen Saatfelder bewegt; oder im
Herbst zur Zeit der Weinlese, wenn der Jubel froher Menschen unter—
mischt mit Böllerschüssen von den Höhen niederschallt. Ihren Namen
erhielt diese liebliche Gegend von der uralten Handelsstraße, welche von
Heidelberg bis Darmstadt am Fuße des Gebirges hinzieht. Herrliche
Nuß⸗ und Kastanienbäume beschatten die bequemen Fußpfade zu beiden
Seilen, und freundliche Dörfer und Städtchen laden den Wanderer zum
Verweilen ein. Zwar hat die parallel mit der Straße laufende Main—
Neckar⸗Eisenbahn ihr den früheren Güterverkehr entzogen, doch führt sie
ihr dafür in den Sommermonaten tausende von Reisenden, selbst aus
weiter Ferne zu, welche sich teils an der herrlichen Natur erfreuen wollen,
leils in dem milden Klima Erholung und Genesung suchen.
164. Burg Windeck.
An der schönen Bergstraße, nicht weit von Heidelberg, liegen die
Trümmer der Burg Windeck. Viel ist freilich nicht mehr davon vor—
handen. Die letzten Besitzer waren zwei so geizige Brüder, daß die Er⸗
zählung davon noch jetzt im Munde des Volkes lebt. Diese Brüder
nämlich hatten ihr Herz so sehr an den Mammon gehängt, daß sie sich
selbst nicht, wieviel weniger anderen eine Lebensfreude gönnten. Sie
hatten sich nicht verheiratet, um ihre Güter nicht mit Weib und Kindern
ilen und wenigstens keine Ausgaben für dieselben machen zu müssen.
Selbst Tiere waren ihnen zu kostspielige Gäste, denn diese sparen ja nicht,
wenn die Gaben Gottes vor ihnen ausgebreitet sind, sondern genießen
dieselben. Nur eine einzige Ausnahme hatten sich die kargen Brüder
erlaubt, sie hielten eine Meise in ihrem Zimmer und fütterten diese
täglich mit einem Nußkern. Einst aber als sie zusammensaßen und
rechneten, fiel ihnen ein, daß täglich eine Nuß in der Woche doch 7 aus⸗
mache und in dem Monate 30, wohl gar 31, wenn es einer der langen
Monate sei. Und daß die Nüsse Käufer fänden und gut bezahlt würden,
das hatten sie erst kürzlich erfahren. Sie machten sich also Vorwürfe
uͤber die unverantwortliche Verschwendung, womit sie bisher jährlich so
viel Geld an die unnütze Meise gehängt hatten. Und nachdem sie lange
gezankt und sich wechselseitig der Prasserei beschuldigt hatten, so wurden