Die Schule im Mittelalter.
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lichen Abstand nahmen. Die Universitäten konnten Lehrer anstellen, welche
nicht Geistliche waren und standen überhaupt nicht unter der Kirche. Dem
Zeitalter entsprechend, war das Leben auf solchen Hochschulen roh und
wüst. Gewaltthat, Schwelgerei und allerlei Liederlichkeit war auf ihnen
heimisch. Die Studenten trieben gegen sich und die Bürger der Stadt
allerhand Unfug und mißhandelten namentlich ihre jüngeren Genossen. So
dauerte es denn geraume Zeit, ehe diese Anstalten den Segen eintrugen,
welchen man von ihnen erwarten durfte.
Außer den Universitäten bildeten sich in den Städten andere weltliche
Schulanstalten, die, da in ihnen Latein — als die Sprache der Kirche
und Wissenschaft —- gelehrt wurde, lateinische Schulen hießen. Der
Borsteher einer solchen Schule hatte den Titel „Meister", war aber nicht
fest-, sondern auf Kündigung angestellt. Nach seiner Einweisung miethete
er sich Gesellen und Lehrlinge, mit denen er die liebe Jugend traktirte.
Dieselbe lernte Mönchslatein (deutsch sprechen war bei Strafe verboten),
scholastische Begriffserklärungen, Psalmen, Kirchenlieder, biblische Geschichte
und Musik, insbesondere Kirchenmusik. Fertigkeiten und Kenntnisse, welche
das bürgerliche Leben verlangt, lehrte im ganzen Mittelalter keine Schule.
In Privathäusern schrieb man auf hölzerne Tafeln, die mit Wachs über¬
zogen, waren weil das Papier damals noch zu theuer war (das Buch kostete
l1/2 Thlr.). Die Lehrweise bestand überall in mechanischem Auswendig¬
lernen. Die Schulmeister, großentheils ziemlich ungebildet, blieben wegen
der schlechten Einkünfte nicht lange an einem Ort und trieben allerlei un¬
passende Nebenbeschäftigungen.
Im 14. Jahrhundert arteten die Schulen so sehr aus, daß auch die
Schüler von einer Schule zur andern zogen. Davon hießen sie fahrende
Schüler. Sietheilten sich in Bacchanten und Schützen. Jene waren die
älteren, diese die jüngeren. Der Schütze wählte sich einen Bacchanten als
Beschützer und Unterrichter, dem er dafür betteln und stehlen mußte. Schaaren-
weise zogen die Schüler von Ort zu Ort und wurden eine wahre Landplage.
Ein Fortschritt zum Bestern geschah, als bei unseren Vorfahren nach
dem Vorantritte der Italiener das Studium der altklassischen Werke, und
namentlich der griechischen Schriften Eingang fand. Italien war besonders
durch die ausgezeichneten Dichter des 14. Jahrhunderts, durch einen Dante
(1- 1321), welcher die göttliche Komödie, durch einen Petrarka,
welcher wohlklingende Sonette, und durch einen Boccaccio, welcher
gefällige Erzählungen und Novellen schrieb, für höhere Bildung und wissen¬
schaftliche Bestrebungen empfänglich gemacht worden. Als daher nach der
Eroberung Konstantinopcls viele gelehrte Griechen sich in Italien nieder¬
ließen , so nahm daselbst die schon erwachte Liebe für die alte Literatur
einen namhaften Aufschwung, was der Bildung des Geschmackes, der freieren
Ansicht über Kunst und Natur und darum auch dem Anbau aller Wissen¬
schaften sehr zu statten kam. Von Italien aus verbreiteten sich diese Stu¬
dien, humanistische Studien genannt, nach Deutschland und bewirkten
hier die Umwandlung vieler lateinischer Schulen in Gymnasien. Die
Humanitätswissenschaften, als deren Vertreter wir Reuchlin ('s 1522),
Erasmus von Rotterdam (f 1536) und Ulrich von Hutten
tl 1523) zu nennen haben, bereiteten der nachfolgenden Reformation den
Weg und trugen so wesentlich zur Herbeiführung der „neuen" Zeit bei.
Latein¬
schulen.
Fahrende
Schüler.
Humani¬
sten.