Folgen des 30jährigen Krieges.
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einen Nachfolger für die österreichischen Erblande bestellte. Durch den Ein¬
fluß der Jesuiten wurde der Erzherzog Ferdinand von der steiermärki¬
schen Linie, ungeachtet des langen Gegenstrebens der (meist protestantischen)
böhmischen Stände 1617 zum Nachfolger für Böhmen und Mähren erwählt,
jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung: „die religiösen und bürgerlichen
Freiheiten aufrecht zu erhalten." Bei den bekannten strengen Gesinnungen
Ferdinands gegen die Protestanten war es indessen kaum zu erwarten, daß
Böhmen einst unter seiner Regierung in Ruhe bleiben würde. Doch noch
bei Lebzeiten des Kaisers Matthias fiel der zündende Funke in den lang
aufgehäuften Brennstoff des Hasses. Wegen des gestörten Kirchenbaues zu Dreißigjäh-
Klostergrab 4) und Braunau*) kam es (23. Mai 1618) zum Fenstersturz riaer Kriea
in Prag und damit zum Beginn des dreißigjährigen Krieges. 1618 — 48.
73. Folgen des 30 jährigen Krieges. Innerer Zustand
Deutschlands.
1. Allgemeine Einwirkung. — Freiheit des protestantischen Glaubens: Un¬
abhängigkeit der Neichsfürsten; Verlust einer Provinz. Entvölkerung und Verwüstung
unsere« Vaterlairdes. Blüthe Deutschlands im 16. Jahrh, in Rücksicht auf Ackerbau,
Gewerbe und Handel; nunmehriger Verfall des nationalen Wohlstandes. Nachtheitiger
Einfluß Frankreichs auf Deutschlands Zucht und Sille. Ueberhandnahme des Lurus;
Eindringen undeutscher Moden; Verschlechterung unserer Muttersprache durch Auf¬
nahme stemder Wörter. 2. Kaiser und Rerch. — Schwächung des Reichöver-
bandes; Selbstständigkeit der einzelnen Fürsten; geringe Befngniß des Reichsobcr-
hauptes. Ständigkeit der Reichstage (seit 1654). Die 3 Kollegien. Schleppender
Gang der Reichstagsverhandlungen. Feierlichkeit der Kaiserkrönung. Glanzvolles
Leben der Fürsten, des Adels und reicher Bürger. Einfache Freuden der niederen
Stände. Emporkommen der landesherrlichen Macht. Einführung des Erstgeburts¬
rechtes (1545 und 1621). Unbedeutendheit der Landstände. Wichtigkeit des fürstlichen
Kabinets. Die Kammern. Eröffnung neuer Einnahmen: Ausprägen schlechten Geldes;
Verkauf von Titeln unv Privilegien; Erweiterung des Forst- und Jagdregalö. Be¬
drückung der Bauern durch den Landesherrn und die Gutöherrschaften. Verfall der
Fehme und der Kaiserrechte. Eindringen römischer Rechtöanschanung mit den Land¬
rechten. Aufnahme der Tortur und grausamer Todesstrafen. Strafen komischer Art.
Das Söldnerwesen, eine Hauptstütze der fürstlichen Macht. Bewaffnung der Schweizer,
der Landsknechte und der Hakenschützen. Aufkommen der Kuirassiere, Dragoner und
Husaren. Das Geschützwesen. 3. Kirchliches Leben. — Entwickelung der pro¬
testantischen Kirchenverfassung. Wichtigkeit der Predigt und des allgemeinen Kirchen-
gesaugcs. Die Ordination. Errichtung von Superintendenturen und Konsistorien. Hohe
Stellung des Landesfürsten in der protestantischen Kirche. Verwendung der einge¬
zogenen Kirchengüter. 4. Unglaube und Aberglanb e. — Jrreligiösität sophistischer
Gelehrten und frivoler Krieger. Teufels- und Gespenstererscheinungen. Alchymie,
Astrologie und Wahrsagerei. Bannen böser Geister. Die Herenprozesse. Hinrichtung
der letzten Here (1783).
1. Allgemeine Einwirkung.— Durch den westfälischen Frieden
wurde der 30jährige Krieg geendigt, der unglücklichste, welchen unser Vater¬
land je geführt. Rach unendlichen Strömen Blutes hatten die Protestanten,
sich Freiheit von Neuem erstritten, hatten die deutschen Fürsten Unabhängig¬
keit gewonnen; aber eine schöne Provinz war von Deutschland abgerissen,,
in den anderen herrschten Ausländer, und Deutschland war nicht mehr ein
ff Kl oft er grab, Bergstadt am südöstlichen Fuße des Erzgebirges, eine Meile
von Teplitz. — Braunau, Stadt am Südwestfuße des Riesengebirges.
Spieß u. Beriet, Weltgeschichte III. 14