Full text: Für einjährigen Unterricht in höheren Mittelklassen berechnet (Kursus 3)

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gerade mit dem Papste in heftigen Streit. Er hatte die Gemahlin seines 
verstorbenen Bruders, Katharina von Aragonien, geheiratet, und als 
nun 2 Söhne dieser Ehe früh starben, entstanden in ihm Gewissens¬ 
bedenken. Dazu kam seine leidenschaftliche Liebe zu dem schönen Hof- 
fraulein seiner Gemahlin, Anna Boleyn, und so verlangte er vom Papste 
die Ehescheidung. Er glaubte, daß der Papst ihm zu Willen sein müsse 
da er — beraten von seinem Kanzler kardinal Wolsey — sich an die Liga 
oon Cognac anschloß, deren Oberhaupt der vom Kaiser Karl V. heftig 
bedrängte Papst war. Doch ehe die Verhandlungen zum Abschluß kamen 
versöhnten sich Papst und Kaiser, und nun weigerte sich der von seinen 
Bedrängnissen befreite Papst, die Ehescheidung zu vollziehen. 
Da beschloß Heinrich VIII., sich von Rom zu trennen, um die Ehe¬ 
scherdung durchzusetzen. Wolsey wurde entlassen, Thomas Morus, der 
Anhänger Wiclefs, trat an seine Stelle, und nach ihm, als Morus doch 
des Königs Willen nicht erfüllte, Thomas Eromwell. Dieser und der 
Erzbischof (Eranmer führten nun die kirchlichen Neuerungen durch. Der 
König zwang die Bischöfe, ihn als supremum caput = Oberhaupt der 
englischen Kirche nächst Gott anzuerkennen und so sich von Rom loszusagen. 
Dann ließ er durch Eranmer die Ehescheidung vollziehen, nachdem er 
schon vorher sich mit Anna Boleyn hatte trauen lassen. 
Der Papst drohte jetzt mit Kirchenstrafen, aber das Parlament 
nahm das S u p r e m a t s g e s e tz an, zwang alle Beamten und Geist¬ 
lichen, den Suprematseid zu leisten und verbot jede Geldzahlung an 
Rom wie jede Berufung an den Papst. So hatte Heinrich, gestützt auf 
Parlament und Kirche, gesiegt, und die Trennung von Rom 
war vollzogen, jedoch war die neue englische Kirche damit nicht 
evangelisch geworden, Dogma, Zeremonien und hierarchische Einrich¬ 
tungen blieben dieselben, nur an die Stelle des Papstes war der Könia 
getreten. 
Es konnte nicht ausbleiben, daß nun auch eine innere Entwicklung 
der Kirche von Rom, also vom Katholizismus fort, sich einstellen 
würde. Zunächst erfolgte, da die Klöster die Lossagung von Rom 
mißbilligten, 1536 die Aufhebung der Klöster. Heinrich ging um so 
williger hierauf ein, als durch die Einziehung der Klostergüter die 
Macht des Königtums materiell und durch das Ausscheiden der Aebte 
aus dem Oberhaus politisch gestärkt wurde. Und zuletzt konnte er durch 
Vergabung vieler Klostergüter an den Adel diesen mehr an sich fesseln. 
Zugleich hatte die protestantische Strömung den Erfolg, daß 
Heinrich die „zehn Artikel" anerkannte, eine Zusammenfassung 
oon kirchlichen Glaubenslehren, in der offenbar lutherische Gedanken 
enthalten waren. 
Freilich kehrte Heinrich später unter oem Einfluß bes Bischofs Gardiner 
von Winchester zu seinen scholastischen Anschauungen zurück und gebot 
bei Todesstrafe in den „sechs Artikeln" die Beobachtung des Zölibats, 
ber Ohrenbeichte, der Stillmessen, der Zransfubstantiationslehre unb 
ber Kelchentziehung. Ja es kam zu blutigen Verfolgungen ber Lutheraner,
	        
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