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Frankreich, schwächte seine Verbündeten und verlor vor allein einen großen
Teil jenes Einflusses, den es seit den glorreichen Tagen des großen Friedrich
in Deutschland und Europa besessen hatte.
Nach und nach traten auch die übrigen Verbündeten zurück, und so zer¬
fiel das große Bündnis Europas, ohne etwas Besonderes geleistet zu haben,
während die junge Republik Frankreich durch die Gewalt der Waffen den
Frieden im Innern und sein Ansehen nach außen wieder hergestellt hatte.
B. Vertiefung.
1. Welches Ziel will das französische Volk erreichen?
Das Volk wlll sich befreien von den drückenden Lasten, verlangt
eine Besserung seiner Lage, besonders Gleichstellung aller Unter¬
tanen hinsichtlich aller Rechte und Pflichten; der Rechte: Besetzung der
höheren Beamtenstellen, der Pflichten: gleichmäßige Verteilung der Steuern.
Dieses Bestreben des Volkes ist gerechtfertigt, denn ein jeder, auch
der geringste Untertan, muß neben den Pflichten auch Rechte haben. Über
die gleichmäßige Verteilung von Pflichten und Rechten soll der Landes¬
fürst wachen; er soll als oberster Richter für Recht und Gerechtig¬
keit in seinem Lande sorgen. „Ein Oberhaupt muß sein, ein höchster Richter,
wo man das Recht mag schöpfen in dem Streit." Die Könige Frankreichs,
besonders Ludwig XIV. und XV., sind solche gerechte Richter nicht. Anstatt
für des Volkes Wohlfahrt zu sorgen, seine Lasten zu erleichtern, in allem
Muster und Vorbild zu sein, stellen sie den Grundsatz aus: „Der Staat
bin ich," drücken sie das Volk mit immer härteren Steuern und Fron¬
diensten, vergiften sie das Volksleben durch schlechtes Beispiel, Un¬
sittlichkeit, Verschwendungssucht, Gottlosigkeit und öffnen je¬
dem Laster Tür und Tor. Dadurch berauben sie sich der Achtung ihres
Volkes, untergraben sie die Liebe der Untertanen zu ihrem Fürsten,
erzeugen sie Verachtung, Haß, Unzufriedenheit und endlich
blutige Empörung. Die Ungerechtigkeit in der Behandlung der
Untertanen ist die Hauptursache der Empörung; dazu kommt besonders das
sittenlose, gottlose Beispiel der Mächtigen. „Gerechtigkeit erhöhet
ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben." — „Böse Beispiele
verderben gute Sitten." Wo ein Fürst nur vom Schweiß und Blut seiner
Untertanen leben will, da kann nimmer Wohlfahrt und Zufriedenheit gedeihen;
da muß das Volk sich selber Recht suchen. Das Streben des französischen
Volkes ist also gerechtfertigt; wir müssen es gutheißen.
2. Was ist über die angewandten Mittel zn urteilen?
Es wendet verwerfliche Mittel, nämlich Gewalt an. „Schreck¬
lich immer, auch in gerechter Sache, ist Gewalt." Erfüllt von Neid
Kornrumpf, Handbuch k. III. 10